Die Not der Kredite
IWF-Kredite beeinträchtigen weiterhin die Gesundheit in Afrika - von Dian Maria Blandina
Der Internationale Währungsfonds besteht bei der Vergabe von Krediten schon seit langem auf Konditionen, die schädlich für öffentliche Dienste sind. Daran hat sich auch während der Pandemie nichts geändert. Afrikanische Länder gehören zu den am stärksten betroffenen.
Die jahrzehntelangen strengen Strukturanpassungsprogramme des Internationalen Währungsfonds (IWF) stehen schon seit langem als eine der Hauptursachen für die schwachen Gesundheitssysteme in Afrika in der Kritik. Viele sehen in den Programmen eine grundlegende Ursache für das Versagen bei der Krankheitsüberwachung und -prävention, das zum Ebola-Ausbruch in Westafrika 2014-16 geführt hat. Noch schlimmer ist aber, dass auch die Covid-19-Pandemie nicht zu einer Veränderung der Politik in dieser Institution geführt hat.
Als 2020 die Covid-19 Pandemie begann, mussten die meisten afrikanischen Länder IWF-Kredite zurückzahlen. 26 der 54 afrikanischen Länder befanden sich im Januar 2020 in IWF-Kreditprogrammen, die Austeritätspolitik zur Bedingung hatten, so dass den Ländern keine freien Mittel für die Vorbereitung auf den Ernstfall zur Verfügung standen – was eine der wichtigsten Voraussetzungen für eine robuste Reaktion auf Covid-19 gewesen wäre.
Bis Oktober 2020 hatte der IWF an 81 Länder Covid-19-Darlehen vergeben, 41 davon in Afrika. Bereits damals wiesen viele kritische Stimmen darauf hin, dass die Kredite nicht ausreichen würden: nicht um die unmittelbaren Kosten für die Bewältigung von Covid-19 auszugleichen, geschweige denn, um die Verluste langfristig zu kompensieren. Die Notkredite brachten wenig bis gar nichts, wenn es darum ging, die Aussetzung von Zahlungen für bestehende Schulden, auch beim IWF, sicherzustellen. Berichte machten darauf aufmerksam, dass ein Teil der Notfinanzierung tatsächlich statt für die Covid-19 Bekämpfung zur Schuldentilgung verwendet wurde.
Der IWF ist zwar nicht der einzige Gläubiger der afrikanischen Länder, steht aber an der Spitze der Pyramide internationaler Finanzinstitutionen. Die Nichteinhaltung des IWF-Rückzahlungsplans zöge weitere direkte und indirekte Auswirkungen bei anderen Gläubigern nach sich. Gleichzeitig sind die IWF-Darlehen so strukturiert, dass sie die Fähigkeit der Regierung, öffentliche Dienstleistungen zu erbringen, beeinträchtigen. Die Bedingungen und der Zeitplan für die Rückzahlung der Schulden sind oft sehr streng. Mittel, die beispielsweise für das Gesundheits- und Bildungswesen benötigt werden, werden stark gekürzt und große Teile der eingenommenen Steuern werden für die Schuldentilgung zweckgebunden.
Nach Angaben des IWF befinden sich von den 41 afrikanischen Ländern, die Covid-19-Darlehen beantragt haben, 17 entweder bereits in einer Schuldenkrise oder es besteht ein hohes Risiko dafür. Andere Länder fallen in die Kategorie der »nachhaltigen« Risikobewertung, so dass sie laut IWF kein Problem haben sollten, das Darlehen zurückzuzahlen. Aus den Daten des European Network on Debt and Development (Eurodad) geht jedoch hervor, dass es selbst für diese Länder schwierig wäre, die Darlehensverpflichtungen zu erfüllen, wenn sie nicht erhebliche Änderungen an ihren Konten beim IWF vornehmen würden. Die Nichtnachhaltigkeit wird auch durch die Forderung des IWF nach einer umfassenden Haushaltskonsolidierung zum frühestmöglichen Zeitpunkt unterstrichen. In einem Bericht der Vereinten Nationen aus dem Jahr 2020 heißt es, dass die Entwicklungsländer aller Einkommensklassen bereits vor Covid-19 auf eine Schuldenkrise zusteuerten.
Toxische Konditionalitäten
In der Regel sind IWF-Darlehen an Bedingungen geknüpft, d.h. die Regierungen müssen bestimmte Maßnahmen ergreifen, wenn sie das Geld erhalten wollen. Meistens umfasst das Maßnahmenpaket: 1. Sparmaßnahmen, d.h. eine Mischung aus Kürzungen der staatlichen Haushalte und Subventionen, 2. Privatisierungen, d.h. den Verkauf von Staatsvermögen oder die vollständige oder teilweise Beteiligung des Privatsektors an der Entwicklung von Infrastrukturen, 3. Liberalisierungen, d.?h. die Öffnung des Landes für ausländische Investoren im Handels- und Finanzsektor, 4. Deregulierungen, d.?h. die Abschaffung oder Einschränkung von Gesetzen zum Schutz von Bürger- und Arbeitnehmerrechten, um für internationale Investoren ein attraktiveres Geschäftsumfeld zu schaffen, und 5. manchmal auch eine Währungsabwertung, d.h. die Senkung des Währungswertes zur Erleichterung von Exporten.
Diese Politik führt in der Praxis zu einer Verringerung des Gesundheitspersonals, zu reduzierten oder eingefrorenen Gehältern für Gesundheitsfachkräfte und zu höheren Gebühren für Gesundheitsdienste. All diese Veränderungen schwächen das Gesundheitssystem, insbesondere in Bereichen, die von den Investoren als nicht lukrativ und verschwenderisch angesehen werden, wie die kommunale Grundversorgung und ländliche Gesundheitsprogramme. Das wirkt sich nachteilig auf den Umgang mit Krankheitsausbrüchen und deren Bekämpfung aus.
Während sich der IWF damit brüstete, dass die meisten seiner Covid-19-Kredite keine Auflagen enthalten, zeigte eine Oxfam-Studie, dass die Mehrheit von ihnen tatsächlich Kürzungen bei den Staatsausgaben und Gehältern vorschlug oder verlangte, um die Schuldenrückzahlung zu unterstützen. Allein in Afrika sollen 19 Länder, darunter die Seychellen, Kap Verde und Südafrika (laut Weltbank die reifen oder besser gestellten Volkswirtschaften Afrikas), mit Sparmaßnahmen beginnen, »sobald die Pandemie abklingt« oder bis 2023. Weitere 14 Länder, darunter Sierra Leone, Südsudan und Guinea-Bissau, sollten bereits 2021 mit Sparmaßnahmen beginnen. Diese 14 Länder gehören zu den Ländern mit den schwächsten öffentlichen Gesundheitssystemen in Afrika, und in einigen herrschen interne Konflikte.
Als die Darlehen unterzeichnet wurden, war klar, dass sich diese Länder nicht schnell genug von der Pandemie und der Wirtschaftskrise erholen würden, um die Rückzahlung der Darlehen zu gewährleisten. Es sollte daher nicht überraschen, dass Anfang 2022 13 afrikanische Länder in eine weitere Runde von IWF-Programmen aufgenommen wurden, dieses Mal über die traditionellen Darlehensmechanismen mit strengen Auflagen.
Andere afrikanische Länder haben eine Verlängerung und Aufstockung ihrer IWF-Darlehen aus der Zeit vor Covid-19 beantragt. Andere verhandeln derzeit mit dem IWF über neue Darlehen. Wichtig ist zu erwähnen, dass in den meisten Entwicklungsländern die Unterzeichnung eines Darlehens vom IWF eine Vorbedingung für die Einleitung von Prozessen zur Umstrukturierung der Staatsschulden eines Landes ist. Vereinfacht ausgedrückt: Wenn Länder mit anderen Gläubigern als dem IWF verhandeln wollen, die meist aus Industrieländern stammen, verlangen die Gläubiger, dass die Länder zuerst Kredite beim IWF unterschreiben. Und so setzt sich der Teufelskreis fort. Schulden tilgen, indem man noch mehr Schulden aufnimmt, mit lang anhaltender Sparsamkeit in den kommenden Jahren.
Düstere Zukunft für die Gesundheit?
Viele Länder, vor allem in Afrika, haben aufgrund des ungleichen Zugangs zu Impfstoffen und Arzneimitteln immer noch Schwierigkeiten, die Pandemie und andere wieder auftretende Krankheiten zu bekämpfen. Das Ausmaß der wirtschaftlichen Folgen ist noch schwer abzuschätzen. In Verbindung mit Sparmaßnahmen und Privatisierungen könnte dies in absehbarer Zukunft zu einer weiteren Schwächung der Gesundheitssysteme führen.
IWF-Programme sind dafür bekannt, dass sie Konflikte oder soziale Unruhen auslösen, wenn die Regierungen Kürzungen bei Arbeitsplätzen und grundlegenden Subventionen, meist bei Lebensmitteln und Treibstoff, vornehmen. Das Phänomen ist so bekannt, dass ein eigener Begriff dafür geprägt wurde – »IMF riot«! Nachrichten aus verschiedenen Regionen, darunter Westasien und Lateinamerika, deuten darauf hin, dass die Welt mit einer umfassenden Schuldenkrise konfrontiert ist. Oft kommt es zu Gewalt im Laufe der Proteste und die Behörden gehen hart gegen sie vor, wie bei den aktuellen Protesten im Sudan. Wir erleben bereits eine neue Welle von IWF-Krawallen, so auch in Guinea, wo die Sicherheitskräfte während der Demonstrationen gegen die Kostenexplosion, darunter eine 20%ige Erhöhung des Benzinpreises, einen Demonstranten töteten.
Verisk Maplecroft, ein Beratungsunternehmen für Datenanalyse, berichtete kürzlich über die zehn Länder, in denen ein extremes Risiko für soziale Unruhen besteht. Darunter befinden sich Kenia und Senegal, die bereits in eine weitere Runde von IWF-Programmen aufgenommen wurden, nachdem sie ein Covid-19-Darlehen erhalten hatten. Die Verhandlungen in Tunesien waren durch den Druck des IWF gekennzeichnet, noch vor der Unterzeichnung der Verträge tiefe Einschnitte vorzunehmen. Auch im Falle Ägyptens verlangt der IWF die Anwendung von Sparmaßnahmen, bevor er ein Abkommen genehmigt. Auch wenn die Lage wirklich verzweifelt erscheint, gibt es für die Regierungen immer noch Spielraum, um sowohl auf globaler als auch auf nationaler Ebene korrigierend einzugreifen. Die Menschen können immer noch Druck auf die Regierungen ausüben, untragbare Schulden zu streichen und Investitionen wieder in öffentliche Einrichtungen zu stecken, die den Bürgern gegenüber rechenschaftspflichtig sind. Auf der Liste der möglichen Lösungen steht die Forderung nach einer wirklich progressiven Besteuerung und sozialen Maßnahmen.
Dian Maria Blandina ist Ärztin aus Indonesien und promoviert derzeit an der Aristoteles-Universität Thessaloniki über die Zusammenhänge zwischen der Politik des IWF und Gesundheit. Sie ist eine engagierte Aktivistin des PHM und lebt aktuell in Deutschland.
(Quelle: Der Text zuerst erschienen in: People’s Health Dispatch vom 23. Juni 2022, https://peoplesdispatch.org/2022/06/23/imf-loans-continue-to-undermine-health-in-africa/ – Übersetzung aus dem Englischen Karen Spannenkrebs)
(Gesundheit braucht Politik. Zeitschrift für eine soziale Medizin, Schwerpunkt: Globale Gesundheit, Nr. 2, Juni 2023)