Nun ist es (endlich) soweit: Auch Gesundheit braucht Politik wird sich mit der Covid-19-Pandemie beschäftigen. Uns, der Redaktion der Zeitschrift, hat dies aus verschiedenen Gründen einiges an Kopfzerbrechen beschert. Wie umgehen mit einem Thema, das so tagesaktuell und dynamisch ist? Was macht man aus der Corona-Pandemie, zu der so viele etwas zu sagen haben, viel – auch völlig unnötiges – schon gesagt wurde und die unendlich viele Möglichkeiten für Themen hergibt? Und vor allem: Wann ist der beste Zeitpunkt zur Veröffentlichung einer Ausgabe?
Wir sind zu zwei Schlüssen gekommen: Einen perfekten Zeitpunkt gibt es nicht, aber nun kann man zumindest einige Dinge wissenschaftlicher, nüchterner und analytischer betrachten. Und zweitens würden die Themen, die wir anreißen wollen ein einzelnes Heft sprengen. Deshalb werden wir das Thema mindestens auf zwei Hefte verteilen. Während dieses Heft eher allgemeine Themen anschneidet, soll das Folgeheft, das Ende September erscheinen wird, sich vor allem mit den sozialen Determinanten in Zusammenhang mit Covid-19 beschäftigen. Außerdem hielten wir es für nötig, neben dem üblichen Editorial auch einen etwas umfangreicheren Text zu schreiben, der als Diskussionsangebot zu verstehen ist, die Covid-19-Pandemie und viele aktuelle Diskussionsthemen aus der Sicht der Redaktion vorsichtig einzuordnen.
Im Text danach erörtert Anne Jung die globale Situation der Impfstoff(ungleich-)verteilung und warum die Initiative Covax bei weitem nicht ausreicht, um das Recht auf Gesundheit im globalen Süden durchzusetzen. Es folgt eine vom vdää unterstützte Petition des Bündnisses »Sign« zur Aussetzung der Patentrechte von Covid-19 Impfstoffen und Behandlungsutensilien. Mit einem offenen Brief wenden sich die Flüchtlinge aus dem Lager Moria II angesichts der sich dramatisch zuspitzenden Lage an die europäische Öffentlichkeit, dringend wirksame Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie unter den Geflüchteten einzuleiten. Dabei wird mit dem drastischen Vergleich mit Disneyland auch die äußerst problematische Rolle der vielen NGO-Mitarbeiter*innen und Aktivist*innen im Lager kritisch beleuchtet.
Michael Baumgarten und Janna Wichern von der Initiative »Faire Landarbeit« berichten über Corona-Schutzmaßnahmen für die vorrangig osteuropäischen Saisonarbeiter*innen in der Landwirtschaft. Daran anschließend zeigt Sarah Schilliger die Situation meist migrantischer Care-Arbeiter*innen in Privataufhalten auf und verdeutlicht, dass diese Arbeitsverhältnisse – wie die der Landarbeiter*innen – nicht erst seit der Pandemie problematisch sind.
Leider haben wir keinen Artikel gefunden, der uns einen Überblick über die Corona-Schutzmaßnahmen in den Betrieben und Fabriken über möglichst viele oder gar alle Branchen hinweg hätte geben können. Das hat auch nach anderthalb Jahren Pandemie noch niemand erfragt oder untersucht. Umso mehr freuen wir uns, dass uns Richard Detje und Dieter Sauer erlaubt haben, einen Teil der Ergebnisse einer Studie über die Corona-Krise in ausgewählten Betrieben und den umkämpften Arbeits- und Infektionsschutz zur Verfügung zu stellen.
Richard Detje und Dieter Sauer erläutern die Ergebnisse ihrer Studie über die Corona-Krise im Betrieb und den umkämpften Arbeits- und Infektionsschutz. Silvia Habekost zeigt die kämpferische Reaktion der Pflegekräfte über die Misere in den Kliniken während der Covid-19-Pandemie auf. Einen Einblick in die Arbeitsverhältnisse der Pflegekräfte in der Kranken- und Altenpflege geben darauffolgend Hubertus von Schwarzkopf und Wolfgang Hien. Ein Factsheet des Bündnis Krankenhaus statt Fabrik erklärt die Wirkmechanismen und die Probleme der Corona-»Rettungsschirme« und stellt Forderungen und Alternativen für gemeinwohlorientiertere Kliniken auf. Einen Blick in die USA wagt Babsi Clute-Simon im Gespräch mit dem Humanbiologen Jonathan Berman über Impfgegner*innen dort. Es folgt ein kurzer Überblick zur Geschichte und soziale Zusammensetzung der Impfgegner*innen.
Ihr werdet hier auch noch einen Spendenaufruf finden, in dem wir Euch bitten, die Arbeit des Solidarischen Gesundheitswesens, des Kooperationspartners des vdää zu unterstützen, damit wir uns in Zukunft zusammen noch besser einmischen Können in die Gesundheitspolitik und die Bewegung der Beschäftigten für ein solidarisches Gesundheitswesen.
Wir wünschen euch eine anregende und kritische Lektüre.
Eure Redaktion