GbP 2-2020 Podcasts von Studierenden

Auf die Ohren...

Unabhängige Podcasts von Medizinstudierenden

Zum Ende empfehlen wir zwei Podcasts von aktivistischen Medizinstudierenden, die politische Bildungsarbeit leisten. Podcasts sind neue Formate, über die Audio-Inhalte online abrufbar sind, ähnlich wie eine Radiosendung. Wir haben den Autor*innen ein paar Fragen zu ihren Podcasts gestellt. Im Folgenden stellen sie sich kurz vor.

Heile Welt Podcast

1. Könnt Ihr Euch und Euren Pod­cast einmal kurz vorstellen?

Wir sind Pia und Madeleine, studieren beide Medizin, in Köln und Leipzig. Wir haben uns in unserem Auslandssemester in Mexiko kennengelernt und dort zusammen den Podcast gestartet. »Heile Welt« soll Denk- und Diskutieranstoß sein für wichtige, aber häufig unterschätzte Themen in der Medizin mit Schnittpunkten in Politik und Ethik.

2. Wie entsteht eine Folge?

Nachdem wir uns ein Thema ausgesucht haben, recherchieren wir für ca. zwei bis drei Wochen und fuchsen uns da rein. Dabei springen uns häufig auch die Interviewpartner*innen ins Auge, zu denen wir Kontakt aufnehmen und mit denen wir ein Vorgespräch vereinbaren. Danach folgt die Aufzeichnung des wirklichen Interviews – meist online. Anschließend kommt nur noch der lange, etwas leidige Prozess der Nachbearbeitung, bis die Folge veröffentlicht werden kann. Insgesamt sitzen wir ca. ein bis zwei Monate an einer neuen Folge.

3. Was ist eine Folge, deren Produktion Euch besonders in Erinnerung geblieben ist?

Die Folge mit Dr. Amma Yeboah zum Thema Geschlechts­sensible Medizin war unglaublich inspirierend. Amma hat sehr bereichernde Ideen und sowohl beim Vortreffen als auch nach der richtigen Aufnahme saßen wir noch lange zusammen und konnten kaum aufhören, das Thema weiterzudenken.

4. Laut Eurer Eigenbeschreibung möchtet Ihr eine Lücke in der Lehre füllen. Was heißt das für uns als Zuhörer*innen?

Wir sehen das Format als ein Empowerment, eigene Fragen zu stellen und sich weiter mit den Inhalten auseinanderzusetzen. Gleichzeitig gewinnt man einen persönlichen Bezug zu diesen sensiblen Themen durch die Stimme unserer Expert*innen.

5. In 5 Jahren… ? 

Werden wir beide Ärztinnen sein in einem hoffentlich fairen, bedarfsorientierten Gesundheitssystem, das klimaneutral arbeitet, frei von Sexismus und Rassismus ist, in dem Schwangerschaftsabbrüche legal zur normalen Versorgung gehören und wir interdisziplinär und auf Augenhöhe alle im Team zusammenarbeiten. Vielleicht sind 5 Jahre dafür aber etwas zu optimistisch.

Heile Welt Podcast   Kontakt: heile.welt (at) posteo.de

Kritis on Air

1. Könnt Ihr Euch, Euren Podcast und die Idee dahinter einmal kurz vorstellen?

Durch Corona ist greifbar geworden, dass ein kapitalistisches Gesundheitssystem nicht in der Lage ist, Menschen gesund zu machen. Wir wollen die Zusammenhänge zwischen den prekären Bedingungen von Gesundheit, Wohnen, Bildung und Arbeit herstellen und haben uns dieses Podcast-Format ausgesucht.

2. Wie entsteht eine Folge?

Wir haben das Ziel, eine materialistische Analyse der Umstände und politische Antworten zu finden. Dazu lesen wir als Gruppe Texte und reden über Inhalte, die uns gerade selbst beschäftigen. Wir suchen im nächsten Schritt Interview­part­ner*innen, von da an folgt, Recherche, Aufnahme und Schnitt.

3. Was ist eine Folge, deren Produktion euch besonders in Erinnerung geblieben ist.

Das ist die Folge über Moria (Folge 2: »Moria, Refugees and the Fortress Europe«), in der es von Seiten der interviewten Person zu einem rassistischen Kommentar kam, über den wir viel diskutiert haben. Unser erster Impuls war es, ihn einfach rauszuschneiden. Nach viel Kopfzerbrechen haben wir uns dazu entschieden, ihn drin zu lassen und zu kommentieren. Wir haben gemerkt, wie schwer es uns fällt, Widersprüche auszuhalten – insbesondere, wenn sie von Personen kommen, die vermeintlich per se einen revolutionären Geist haben sollen. Um diesen Kommentar nicht einfach »unter den Tisch zu kehren« und eine identitätspolitische Idealisierung von unterdrückten Personengruppen in Frage zu stellen, haben wir unsere Gedanken dazu reingeschnitten. Für uns gilt, dass ein Aushalten von Widersprüchen weder zu einer Entsolidarisierung, noch zu einer Abwertung der übrigen Beiträge der Person führt. Wir haben gemerkt, was Schneiden bedeutet und wie schwierig, obgleich wichtig es ist, direkt im Gespräch zu reagieren. Einen guten, politischen Podcast zu machen, finden wir verdammt herausfordernd.

4. Laut Eurer Eigenbeschreibung, wollt Ihr in Zeiten von Corona politisieren. Was heißt das für uns als Zuhörer*innen?

Es geht uns darum, die Probleme nicht individuell zu begreifen und nicht »solidarisch zu sein«, indem wir einander Danke sagen, dass wir ausgebeutet und unterdrückt werden, sondern die Klassengesellschaft, samt ihres Rassismus und Sexismus zu bekämpfen.

5. In 5 Jahren… ?

Machen wir den Podcast noch immer und blicken hoffentlich auf diese »komische Corona-Zeit« zurück, die uns in eine Zukunft geführt hat, die sich nach den Bedürfnissen der Menschen richtet.

Kritis on Air – Linke Stimmen zu Gesundheit und Gesellschaft Kontakt: kritischemediziner_innen (at) riseup.net

(aus: Gesundheit braucht Politik. Zeitschrift für eine soziale Medizin, Schwerpunkt: Ausbildung Gesundheitsberufe, Nr. 2 Juni 2020)


Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte
Gesundheit braucht Politik wird vom ärztlichen Berufsverband vdää herausgegeben, der sich als Alternative zu standespolitisch wirkenden Ärzteverbänden versteht.

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