GbP 3-2019 Zeigert

… und was zahlen wir unseren Angestellten?

Eckhardt Zeigert über die Gehälter der Praxismitarbeiter*innen

Seit Mitte der 90er Jahre öffnet sich die Schere hierzulande stetig weiter: zwischen Arm und Reich, zwischen Gering- und Gut­verdienern. Immer häufiger müssen Vollzeitbeschäftigte mehrere Jobs annehmen oder über das Jobcenter ›aufstocken‹. Infolge dieses Missstandes entbrannte ein nationaler Diskurs über die geringe Höhe der Pflegetarife.

Am 01.01.2019 ist das Pflegepersonal-Stärkungsgesetz in Kraft getreten. Dieses Gesetz ist eine werbewirksame Schummelpackung. Trotzdem sieht es vor, dass die Pflegekosten in Krankenhäusern von den Krankenkassen unabhängig von den Fallpauschalen vollständig getragen werden müssen. Jede zusätzliche Stelle soll voll finanziert werden. In der häuslichen Pflege werden die Kassen verpflichtet, endlich nicht mehr nur Dumping-Löhne sondern Tariflöhne zu tragen [1]. Gesundheitsminister Jens Spahn bereitet einen gesetzlich verbindlichen Tarifvertrag vor, der die Attraktivität der Pflegearbeit durch finanzielle Aufwertung steigern soll [2].

Wenn schon die Löhne in der Pflege so stark öffentlich diskutiert werden, wie sieht es in unseren Praxen aus, was zahlen wir unseren Mitar­bei­te­r*in­nen, die mit geteilten Diensten, Arbeit am Abend, hoher Arbeitsdichte und ständigem Multitasking eine hoch qualifizierte Arbeit leisten?
Die Arbeitsgemeinschaft zur Regelung der Arbeitsbedingungen der Arzthelfer/MFA (AAA) in der Bundesärztekammer ist dafür zuständig, mit dem Verband Medizinischer Fachberufe e.V. (VMF) Tarifverträge auszuhandeln. Sie wird dabei vom Zentralinstitut für die Kassenärztliche Versorgung in Deutsch­land (Zi), das statistische Erhebungen durchführt, unterstützt. Dieser Tarifvertrag ist allerdings nur dann verbindlich, wenn Ärzt*innen und MFA jeweils in ihrem Verband organisiert sind, was nur ausnahmsweise der Fall ist.

Die jüngsten Erhebungen zum Gehalt der MFA über jeweils ca. 3.000 Mit­arbeiter*innen sind aus den Jahren 2017 (VMF) [3] und 2016 (Zi) [4] und betreffen jeweils das Vorjahr. 67% der Ärzt*innen zahlen Tariflohn, zu 49% den Lohn der niedrigen Gruppen I und II, nur 64% zahlen ein 13. Gehalt [3]. Die gezahlten Monatsgehälter liegen über alle Gruppen und Regionen bei durchschnittlich 2.250 € [4]. Löhne ohne tarifliche Bindung fallen deutlich geringer aus [4]. Die geringe Entlohnung ist sicherlich Ausdruck zum einen der in Deutschland immer noch weit verbreiteten finanziellen Diskriminierung von Frauen – MFA ist immer noch ein klassischer Frauenberuf [5] – und zum anderen des geringen Organisa­tions­grades der MFAs. 2013 wurde jede vierte MFA unter Tarif und jede fünfte MFA in zu niedriger Gehaltsgruppe entlohnt [6]. Noch immer vergüten 11% der Ärzt*innen unterhalb des Tarifvertrags [3].

Aus den Beiträgen zur Krankenversicherung werden nicht nur die Gewinne der Gesundheitskonzerne, die Löhne und Gewinne der Ärzt*innen, sondern auch die Löhne der Angestellten geschöpft. Im ersten Berufsjahr nach der Ausbildung verdient im Vergleich z.Zt. monatlich:

- eine Sozialversicherungsfachangestellte bei der AOK/E7: 2.945 € [7]
eine Pflegekraft nach
- dem TVöD-P7: 2.712 € [8]
- eine MFA der Tätigkeitsgruppe I [4]: 1.884 € [9]

Definitionsgemäß zählt damit eine ausgelernte Medizinische Fachangestellte zu den 16% Niedrigverdienern im Lande. Das ist ein Skandal! Zur Klarstellung der Verhältnismäßigkeit: ein durchschnittlicher Bürojob bringt hierzulande 2.990 €/Monat [5]. Besonders deutlich wird es beim Stundenlohn: eine Arbeitnehmer*in in Deutschland verdient im Durchschnitt 20,08 €/Std., eine Pflegefachkraft 15,41 €/Std. [1] und eine MFA 13,61 €/Std. [5]

Wenn wir weiterhin so geringe Löhne zahlen, wer will dann noch bei uns arbeiten? Schon jetzt sollen 40% der ausgebildeten MFA in andere Berufe gewechselt sein, weil sie von unseren Gehältern nicht leben können. Auf dem Arbeitsmarkt sieht es demzufolge schlecht aus, knapp 20% der Ärzt*innen suchen händeringend Mit­ar­bei­te­r*innen und weitere 20% möchten Arbeitsbereiche wegen hoher eigener Belastung delegieren [4]. Wie sollen wir in Zukunft unsere Arbeit leisten ohne ausreichendes und qualifiziertes Personal?

Die Krankenkassen zahlen ihren Sozialversicherungsangestellten in der Regel Tariflöhne, sollen jetzt auch Tarif­löhne in der stationären und ambulanten Pflege zahlen und zahlen indirekt auch die Löhne unserer Medizinischen Fachangestellten. Es ist nicht einzusehen, warum die Gehälter unserer MFA geringer sind als die der Versicherungs-Angestellten und der Pflegenden. Gesundheitsminister Jens Spahn will die Löhne in der Pflege anheben. Im Bundestag empört er sich darüber, dass regional Altenpfleger*innen sehr viel weniger verdienen als Kran­ken­pfle­ger*innen. Es ist höchste Zeit, jetzt von Herrn Spahn zu fordern, für unsere MFA ebenfalls einen verbindlichen Tarifvertrag zu beschließen und die dringlichen Tarifsteigerungen analog den steigenden Löhnen in der Pflege von den Kassen refinanzieren zu lassen. Allerdings muss es dann eine überprüfbare Regelung geben, dass dieses Geld auch tatsächlich bei den MFAs ankommt.

Befreien wir niedergelassene Ärz­t*in­nen uns endlich aus der beschämenden Situation, dass unsere Mit­ar­bei­ter*innen nicht von ihren Löhnen leben können! Wir haben nicht nur Verantwortung für unsere Patient*innen sondern sehr wohl auch für unsere Angestellten. Nehmen wir sie wahr! Jetzt!

E. Zeigert ist Hausarzt in Hamburg.

  1. Bundesgesundheitsministerium.de
  2. Zeit online, 2018/05
  3. VMF, www.vmf-online.de
  4. Zi, www.Zi.de
  5. ZDFzeit 23.10.18 20:15
  6. Ärztezeitung 13.06.2013
  7. TVöD-P
  8. Öffentlicher-Dienst-News.de
  9. Tarifvertrag MFA, Bundesärztekammer
  10. https://www.medical-tribune.de/meinung-und-dialog/artikel/auch-die-mfa-besser-bezahlen/

(Zeitschrift für eine soziale Medizin, Schwerpunkt: Geschlechterverhältnisse im Gesundheitswesen, Nr. 3, September 2019)


Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte
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