GbP Sonderausgabe 2014 Brief an Bundespräsident Gauck

Präsidiale Freiheitsliebe

Ein Briefwechsel zwischen vdää und Bundespräsident Gauck 

Kurz nachdem die vdää-Delegation im Februar 2014 aus Athen zurückkam, fuhr Bundespräsident Gauck nach Griechenland. Mit einem Brief versuchten wir am 27. Februar auf die schreckliche Situation der Inhaftierten in den Polizeistationen aufmerksam zu machen und forderten Gauck auf, das bei seinen offiziellen Kontakten anzusprechen. Wir dokumentieren den Brief, den wir mangels Antwort am 22. Mai erneut – und diesmal mit der »Drohung«, den Vorgang öffentlich zu machen – geschickt hatten, und die Antwort in Auszügen.

Sehr geehrter Herr Gauck,

vom von 12.-16. Februar haben Mitglieder des Vereins demokratischer Ärztinnen und Ärzte eine Delegationsreise nach Athen unternommen, um sich über den aktuellen Zustand des Gesundheitswesens und Möglichkeiten der Solidarität zu informieren. Dabei besuchten sie auch verschiedene »Solidarische Kliniken« in Athen und Piräus.

Über den Zustand des Gesundheitswesens und die humanitäre Katastrophe, die sich dort ereignet, wissen Sie sicher Bescheid. Wir möchten Sie heute aber auf eine besonders schlimme Form der Menschenrechtsverletzung in Griechenland aufmerksam machen, die wir bislang in der EU nicht für möglich hielten:

Wir haben in Piräus mit den KollegInnen von der solidarischen Praxis eine Polizeistation besucht. Dort sind in U-Haftzellen ca. 50 MigrantInnen wegen nicht gültiger Papiere inhaftiert. (…) Was wir gesehen haben, widerspricht jeglicher Menschenwürde: Die 50 Inhaftierten leben bis zu 18 Monate unter menschenunwürdigen Bedingungen in diesem Gefängnis mit Zellen, die eigentlich als Untersuchungshaftzellen gedacht waren, in denen man also höchstens eine Nacht verbringt. Sie werden offiziell nicht medizinisch versorgt – es sei denn, sie müssen ins Krankenhaus. … (Es folgt die Schilderung der Zustände wie sie Bernhard Winter hier beschrieben hat.)

Wir, die demokratischen Ärztinnen und Ärzte, appellieren an Sie, diese Zustände vor Ort zur Sprache zu bringen und die griechische Regierung aber auch die EU auf eine menschenwürdige Lösung der Probleme zu drängen.

Für Rückfragen stehen wir gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen Dr. Bernhard Winter und Dr. Nadja Rakowitz

Antwort vom Büro des Bundespräsidialamt

Bundespräsidialamt Berlin, 24. Juni 2014
Spreeweg 1
Geschäftszeichen: 21-624 12-1-1/2010 (bei Zuschriften bitte angeben)

Sehr geehrte Frau Rakowitz,

haben Sie vielen Dank für Ihre Schreiben vom 27. Februar 2014 und vom 22. Mai 2014 an den Bundespräsidenten. Der Bundespräsident erhält täglich eine Vielzahl von Zuschriften, so dass es ihm nicht möglich ist, sie alle selbst zu beantworten. Ich bin gebeten worden, Ihnen zu antworten. Bitte entschuldigen Sie, dass eine Antwort auf Ihr Schreiben vom 27. Februar bisher aufgrund eines Büroversehens nicht erfolgt ist.

Dem Bundespräsidenten war es ein wichtiges Anliegen, auf seiner Reise nach Griechenland der unzähligen zivilen Opfer der deutschen Besatzung während des Zweiten Weltkriegs zu gedenken. (…) Dem Bundespräsidenten war es ebenfalls ein Anliegen, die Anstrengungen der Griechinnen und Griechen im Zuge der Reformen zu würdigen. Die Bundesregierung hat an verschiedener Stelle deutlich gemacht, dass sie zusammen mit den anderen EU-Staaten sowie den EU-Organen fest entschlossen ist, unseren europäischen Partnern bei der Umsetzung der notwendigen Reformen unter die Arme zu greifen. Dies ist auch dem Bundespräsidenten ein wichtiges Anliegen, insbesondere vor dem Hintergrund der viel zu hohen Jugendarbeitslosigkeit in Griechenland und anderswo. (…)

In seinen Gesprächen hat der Bundespräsident auch humanitäre Fragen angesprochen. Ich bitte um Verständnis, dass ich mich zu Einzelheiten dieser Gespräche, die zum Teil unter vier Augen geführt wurden, nicht äußern kann. Ich kann Ihnen jedoch mitteilen, dass sich der Bundespräsident unter anderem vor seinem Besuch in Griechenland für die Einreise von Frau Sabria Khalaf nach Deutschland eingesetzt hat. Frau Khalaf war im Alter von 107 Jahren aus Syrien geflohen und hatte zunächst Zuflucht in Griechenland gefunden. Nun lebt sie mit einem Teil ihrer Familie in Deutschland. Dem Bundespräsidenten ist die Verbesserung der Situation von Flüchtlingen ein wichtiges Anliegen. So hat er beispielsweise im November 2013 das Erstaufnahmelager in Friedland besucht und mit Flüchtlingen aus Syrien gesprochen. Am 30. Juni 2014 wird er zudem auf dem 14. Berliner Symposium zum Flüchtlingsschutz eine Rede halten.

Für Ihre Arbeit wünsche ich Ihnen weiterhin viel Erfolg.

Mit freundlichen Grüßen

Im Auftrag: Michaela Küchler, Leiterin Referat 21 (Europapolitik) 

(aus: Gesundheit braucht Politik, Zeitschrift für eine soziale Medizin, Sonderheft Griechenland Herbst 2014)


Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte
Gesundheit braucht Politik wird vom ärztlichen Berufsverband vdää herausgegeben, der sich als Alternative zu standespolitisch wirkenden Ärzteverbänden versteht.

zur Webseite

Finde uns auf