GbP 3-2014 Guy Hofmann

Pflege am Boden

Guy Hofmann* – für eine bessere Pflege in Deutschland

Seit Oktober 2013 veranstalten Alten- und Krankenpfleger in mittlerweile über 70 Städten in Deutschland einmal im Monat einen zehnminütigen Pflegeflashmob und legen sich auf markanten Plätzen in den Innenstädten auf den Boden, um auf ihre unzureichende, berufliche Situation aufmerksam zu machen. Guy Hofmann, einer von drei Initiatoren, stellt uns die Initiative vor.

 

»Pflege am Boden« ist ein Personenbündnis, das seit Oktober 2013 mit Smartmobs (bzw. Flashmobs) und anderen Aktivitäten deutschlandweit für eine bessere Pflege in Deutschland eintritt. Ins Leben gerufen wurde die Bewegung von Guy Hofmann, Evelyn Fraider und Michael Thomsen.
Pflege am Boden ist ein von Parteien, Gewerkschaften und Berufsverbänden unabhängiger Zusammenschluss von Menschen, die in Pflegeberufen arbeiten sowie von pflegenden Angehörigen und Menschen, denen die Pflege am Herzen liegt. Wie kaum eine andere Berufsgruppe sind insbesondere beruflich Pflegende auf die Solidarität anderer angewiesen. Zwar besitzen sie auch ein Streikrecht, aber sie verfügen nicht über die Möglichkeit zu streiken, um Forderungen durchzusetzen.
Pflege am Boden legt auf die Unabhängigkeit von anderen Gruppen großen Wert, da die große Masse der bisher nicht organisierten und weniger politisch aktiven Menschen für diese Methode des Protests am ehesten zu begeistern sind. Bisher haben sich Pflegekräfte kaum organisiert, nur etwa acht Prozent sind in einem Verband oder in einer Gewerkschaft. Oft spielt Resignation, sehr oft aber auch Doppelbelastung (Haushalt, Familie) eine Rolle. Nun ist es gelungen eine Ausdrucksform für den Protest zu finden, der sehr viele folgen können und mögen.
Pflege am Boden will, dass von Pflege Betroffene stärker die Möglichkeiten ihrer Mündigkeit nutzen. Die Bewegung richtet sich vornehmlich an die verantwortlichen Politiker und die Öffentlichkeit, um über die Hintergründe und Ursachen des Pflegenotstands aufzuklären. Dabei verzichtet »Pflege am Boden« bewusst auf eine negative Skandalberichterstattung, sondern sucht den Diskurs über die Probleme in der Pflegebranche und ihre Auswirkungen auf uns alle, sowie mögliche Lösungsansätze, da wir mit den Experten dahingehend übereinstimmen, dass die Gesetzgebung der Großen Koalition (Pflegestärkungsgesetz etc.) hier bei weitem nicht ausreicht. Wir versuchen zum Beispiel, die Notwendigkeiten und Vorteile der verbesserten personellen Ausstattung von Krankenhäusern und Altenpflegeheimen zu beschreiben und auf Widersprüche oder Unzulänglichkeiten in der bisher geltenden Gesetzgebung und den geplanten Gesetzesentwürfen aufmerksam zu machen.
Das Hauptproblem besteht dabei in einem Mangel an Personalstellen für professionelle Pflege. Die Krankenhäuser und stationären und ambulanten Pflegedienstanbieter müssen unbedingt mehr Personal-Stellen anbieten können, damit die Berufsflucht gestoppt wird. In den Krankenhäusern braucht es dazu ein Bemessungsverfahren. Und in der Altenhilfe müssen die Personalschlüssel korrigiert werden – dringend! So wird mit der längst überfälligen Einführung des neuen Pflegebedürftigkeitsbegriffs nicht eine Pflegekraft mehr eingestellt, aber noch mal die Bürokratie neu aufgeblasen.
Pflege am Boden will, dass die Politik für eine bedarfsgerechte Finanzierung notwendiger Pflegeleistungen Lösungen bereitstellt. Kommunen und Kreise müssen stärkere Anstrengungen unternehmen und neue Wege gehen, um eine gute Pflege-Infrastruktur zu sichern. Pflegende Angehörige brauchen eine stärkere, finanzielle und professionelle Entlastung. Allein mit Appellen an das Ehrenamt ist ihnen nicht gedient. Nicht zuletzt müssen für alle Anbieter der Pflegebranche Tariflöhne gelten, die sich mit denen von Facharbeitern messen lassen können. Die Dokumentation muss auf ein gesundes Maß heruntergefahren werden.
Die Aktionen von Pflege am Boden zeigen Wirkung, denn sie haben ein sehr gutes Echo in der Presse und bei der Politik gefunden. Viele Politiker erwähnen Pflege am Boden in Landtags- oder Bundestagsreden oder kommen zum Beispiel im Zuge der Flashmobs mit Betroffenen ins Gespräch. Pflege am Boden versteht sich als (quasi außerparlamentarische) politische Bewegung, die einen Wertewandel im Hinblick auf die Refinanzierung pflegerischer Leistungen fordert.
Bisher hat Pflege am Boden bewusst keine besondere Organisationsform (Verein, etc.) angenommen, sondern agiert unter Nutzung des Internets als engagiertes Personenbündnis, das allen offen steht und keine Klientel- oder Einzelinteressen vertritt. Gerade die 92 Prozent der nicht organisierten, beruflich Pflegenden und die pflegenden Angehörigen sollen erreicht werden. Auch wendet sich unsere Bewegung nicht gegen Arbeitgeber, sondern versucht für alle von Pflege Betroffenen zu sprechen.
Speziell über facebook koordiniert und plant Pflege am Boden (nach dem Motto: Think global and act local.) in etwa 120 deutschen Städten Smartmobs, bei denen sich die Teilnehmerinnen für zehn Minuten auf den Boden legen, um so symbolisch auf den Zustand der Pflege aufmerksam zu machen.
Wir wollen die Verantwortlichkeiten für die Planung und Ausgestaltung der Veranstaltungen (Smartmobs) vor Ort lassen. Denn in den jeweiligen Städten vor Ort gelten unterschiedliche, regionale Besonderheiten, Bedingungen und Regeln, die zu berücksichtigen und zu besprechen sind. Darüber hinaus sollen die kreativen Ideen der Menschen aus dem Personenbündnis auch einen Gestaltungsspielraum erhalten, ohne dabei das Gemeinsame (Logo, Methode des auf den Bodenlegens, etc.) aus den Augen zu verlieren.
Die gesamte Bewegung lebt dabei vor allem vom konkreten Engagement einzelner in den jeweiligen Städten oder Gemeinden. Dazu zählen möglicherweise:
• die Gründung lokaler Stammtische und/oder Vorbereitungstreffen mit der Verteilung von Zuständigkeiten hinsichtlich der lokalen Organisation
• die Übernahme von Verantwortung für formale Dinge (z.B.: Anmeldung beim Ordnungsamt)
• die Benachrichtigung und/oder Einladung von Presse und möglicherweise von Politikern oder Prominenten
• die Kontaktaufnahme zu Veranstaltern anderer Orte
• das Entwerfen und Ausdrucken von Ankündigungstexten oder -flyern
• das Bewerben von geplanten Smartmobveranstaltungen in den Institutionen des gesamten Gesundheitswesens der Region per Mail, Brief oder persönliches Vorsprechen, etc.
• Aushang an Schwarze Bretter
• Telefonate u.v.m.

Eine gezielte Strategie ist es, eine breite und immer feiner gestrickte Vernetzung von Personen zu erreichen, die im Rahmen dieser Protestform auch organisatorisch aktiv werden wollen. Wir haben mittlerweile verschiedene Instrumente der überregionalen Steuerung und Weiterverbreitung zur Verfügung:
a. Homepage www.pflege-am-boden.de mit Informationen und der Möglichkeit eine Veranstaltungsort zu melden, so dass für Interessierte ein Überblick geschaffen wird. Ein Erstveranstalter in einer Stadt oder Gemeinde kann hier den Kontakt halten und mögliche Fragen zur Gestaltung und Planung einer örtlichen Veranstaltung beantwortet bekommen.
b. Forum für alle Interessierten, insbesondere solcher, die facebook nicht nutzen wollen oder können.
c. Mittlerweile haben wir auf unserer facebook-Seite https://www.facebook.com/pflege.am.boden?ref_type=bookmark über 9 640 Likes
d. Gruppe von örtlichen Organisatoren bei facebook (zur Zeit 123)
e. Gruppe bei facebook (ca. 5 600 Mitglieder) https://www.facebook.com/groups/pflegeamboden/
f. auch Twitter und Xing werden bereits von einigen genutzt.
g. Bundestreffen

Gerade sind wir dabei, unsere Forderungen und Vorschläge konkreter zu formulieren. Zahlreiche Presseberichte zeugen von unserem Engagement. Und im Mai 2014 gab es in Frankfurt mit 30 Teilnehmerinnen bereits ein erstes bundesweites Organisatorentreffen. Ein weiteres Treffen ist für November 2014 in Hannover in Planung. Insbesondere die Pflege der Kontakte untereinander durch Herrn Guy Hofmann und zur Presse sowie der jeweiligen Internetseiten und -auftritte geht hinsichtlich finanzieller und sonstiger Aufwendungen mittlerweile sehr stark zu Lasten der Organisatoren.
Damit Pflege am Boden den steigenden Nachfragen und Herausforderungen gerecht werden kann und damit die Bewegung nicht abreißt, ist das Personenbündnis auf Förderung angewiesen. Aber auch die psychologische Wirkung einer Förderung auf die Motivation der betroffenen Pflegenden und von Pflege betroffenen Menschen schätzen wir hoch ein.

*Guy Hofmann ist Gesundheits- und Krankenpfleger und Mitinitiator von »Pflege am Boden«.

Mehr Informationen:

www.pflege-am-boden.de

 

(aus: Gesundheit braucht Politik, Zeitschrift für eine soziale Medizin, Schwerpunkt: Pflege und Ökonomisierung - Heft I, 3/2014)


Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte
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