GbP 4-2015 Projektgruppe Medizin

Nationalsozialistischer Deutscher Ärztebund

»Wir nationalsozialistischen Ärzte sollen und wollen die SA unter den deutschen Ärzten sein«

Am 3. August 1929 wurde der NSDÄB in Nürnberg von 42 Ärzten und 2 Ärztinnen gegründet. Bereits ein Jahr später versammelten sich 400 Ärzte zur ersten Generalversammlung. Sehr schnell gewannen die Faschisten in den Standesorganisationen an Boden: 1931 errangen sie bei der Ärztekammerwahl in Berlin bereits 13% der Stimmen, in Frankfurt/Oder 33% und in Brandenburg sogar schon 40% (Kassenarzt 1/1932). Anfang 1932 eroberten sie die Schlüsselpositionen in der Schlesischen Ärztekammer. Eine erbitterte Polemik wurde gegen die Führung des Hartmannbundes (HB) geführt, welcher »völlig im Fahrwasser liberalistisch-freimaurerisch-jüdischer Strömung segle« (Freiheitskampf 28.11.1931 – faschistische Propagandazeitung). Dies hinderte sie jedoch nicht daran, innerhalb des HB schnell an Einfluss zu gewinnen: Triumphierend schreibt der Völkische Beobachter zur Hauptversammlung des HB am 17.11.1931: »Fast jeder dritte Teilnehmer trägt das Hakenkreuz und bekennt sich damit offen zu Adolf Hitler.« Die Führung des HB übergab 1933 dann endgültig freiwillig den Verband in die Hände der Faschisten. Auf Einladung des HB und des Ärztevereinsbundes fanden am 23./24.3.1933 Gespräche mit dem NSDÄB statt, als deren Ergebnis der Vorsitzende des NSDÄB Wagner als Kommissar für beide Spitzenverbände eingesetzt wurde. (DÄB 14/33) Am 7.6.1933 trat Stauder als Vorsitzender von HB und ÄVB freiwillig zurück und überließ Wagner die alleinige Führung. (DÄB 25-26/33)

In der Presse häuften sich die Klagen darüber, dass nationalsozialistische Ärzte, die eine Kassen(!)praxis betrieben, während der Sprechstunde an kranke Arbeiter faschistische Propagandabroschüren verteilen würden und politische Hetzreden gegen die organisierte Arbeiterschaft führten (Kassenarzt 26/1931). Plakate mit der Aufschrift »Juden werden bei mir nicht behandelt«, wurden immer häufiger gesehen (Kassenarzt 1/ 32). In brutaler Offenheit legen die Faschisten ihre Ziele dar: »Der Vernichtung von Ballastexistenzen stehen heutzutage keinerlei technische Schwierigkeiten, aber immer noch moralische entgegen. Es ist zwar den Ärzten gestattet, jegliche Operationen am Einzelmenschen vorzunehmen, doch wird er durch Gesetzgebung verhindert, chronische Seuchenherde im Volke durch Vernichtung der Seuchenträger zu zerstören und durch Vernichtung der minderwertigen Überwucherung der gesunden Volksbestandteile zu beseitigen« (zitiert nach Kassenarzt 5/32). Oder a.a.O.: »Auf jährlichen Kontrollversammlungen ist der Gesundheitszustand des ganzen Volkes durch die besten Ärzte zu prüfen, die Kranken und Schwachen sind auszuscheiden und zu vernichten.«(zitiert nach: Sanitätswarte 6/32) Wie dieses Ziel erreicht werden soll, beschreiben sie kurz und bündig: »Wir nationalsozialistischen Ärzte sollen und wollen die SA unter den deutschen Ärzten sein.« (zitiert nach: Kassenarzt 1/32) Keine 10 Jahre später wurde dieses Programm in den Gaskammern von Auschwitz grausame Wirklichkeit.

Ausschnitt aus: Projektgruppe Medizin: »100 Jahre Standespolitik –100 Jahre auf der Seite der Reaktion«, München

(aus: Gesundheit braucht Politik, Zeitschrift für eine soziale Medizin, Schwerpunkt: Medizin im Nationalsozialismus, 4/2015)


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