GbP 2-2015 Nadja Rakowitz

Update: Austeritätspolitik in Griechenland

 

Anfang Juni 2015 war der vdää im Rahmen von vdää on tour in Griechenland, um dort weiterhin unsere Solidarität zu demonstrieren, auch wenn sich mit der neuen Regierung nun hoffentlich Verbesserungen abzuzeichnen beginnen. Dies war noch vor dem Referendum und vor dem »Agreement« zwischen den Institutionen und der griechischen Regierung.

Folgende Informationen zum Gesundheitswesen und den Auswirkungen der Austeritätspolitik konnten wir zusammentragen:

Die Ausgaben für das Gesundheitswesen seien inzwischen (von vor der Krise ca. 9-10 Prozent) auf weniger als 6 Prozent/BIP gesunken. Nach wie vor sind etwas mehr als 30 Prozent der Bevölkerung nicht versichert. Die SYRIZA-Regierung hat nun aber ein Gesetz beschlossen, dass es den Nicht-Versicherten (mit weniger als 12 000 Euro Jahreseinkommen – bei einem Preisniveau ähnlich dem in Deutschland) erlaubt, kostenlos ins Krankenhaus zu gehen und auch kostenlos an Präventionsmaßnahmen teilzunehmen. Ebenso hat die neue Regierung das »Eintrittsgeld« für den Krankenhaus-Besuch in Höhe von 5 Euro abgeschafft. Dazu ist wichtig zu wissen, dass in Griechenland ein großer Teil der fachärztlichen ambulanten Versorgung in den Krankenhäusern gemacht wird. Allerdings gibt es praktische Probleme: In Folge der Austeritätspolitik sind Krankenhäuser geschlossen worden und in den noch arbeitenden Krankenhäusern viele Beschäftigte entlassen oder Stellen nicht mehr wieder besetzt worden. Im ganzen System fehlen ca. 20 000 Menschen in der Pflege und ca. 5-6 000 ÄrztInnen. Da im Zuge der Austeritätspolitik auch ein großer Teil der Polkliniken in der Primärversorgung geschlossen wurden, gibt es große Probleme in der Versorgung. Die Primärversogung ist größtenteils privatisiert. Aber einen Besuch bei einem privat praktizierenden Arzt können sich die meisten Menschen nicht leisten. Denn nach wie vor lebt mehr als ein Drittel der Bevölkerung an oder unter der Armutsgrenze. Nach wie vor wächst die Zahl der solidarischen Praxen, die die Menschen ohne Versicherung oder Papier, aber auch diejenigen mit Versicherung, die sich aber die Medikamente oder anderes nicht leisten können, ambulant medizinisch versorgen. Inzwischen gibt es in ganz Griechenland mehr als 50 solidarische Praxen. Die AktivistInnen wissen, dass sie noch lange gebraucht werden – nach dem Agreement, das die Situation für die Massen nicht verbessern wird, erst Recht! Unserer Solidarität werden sie auch weiterhin dringend brauchen.

(Mehr Informationen finden Sie auf der Homepage des vdää und unter anderem in der Sonderausgabe der GbP von 2014 zum Thema Griechenland)

 

Nadja Rakowitz

 

(aus: Gesundheit braucht Politik, Zeitschrift für eine soziale Medizin. Schwerpunkt: Wie funktioniert unser Gesundheitswesen? 2/2015)


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