Ökonomisierung und Privatisierung international
»Die Gesundheitsbewegung wendet sich gegen
soziale Ungleichheit und kommerzielle Interessen
im Gesundheitswesen. Sie geht davon aus, dass
Kranke in der Stunde der Not ein Recht auf gleiche
Versorgung haben und dass das Geschäft mit der
Krankheit einzustellen ist: Die Privatisierung
wird deshalb grundsätzlich abgelehnt.«
(Hans Ulrich Deppe)
Dies ist ein Zitat aus Eröffnungsrede von Uli Deppe bei der Gründung des vdää. Uli Deppe gratulieren wir in diesem Heft ganz herzlich zum 80. Geburtstag. Die Aussagen des Zitats sind unverändert aktuell.
Nachdem wir in der letzten Ausgabe (s. GbP 04/2018) den Schwerpunkt Ökonomisierung und Privatisierung des Gesundheitswesens in der BRD hatten, soll die vorliegende Ausgabe einen internationalistischen Blick auf die Entwicklungen in anderen europäischen Ländern werfen. Wie auch hierzulande wird andernorts ebenfalls die Erfahrung gemacht, dass Privatisierungen im Gesundheitswesen primär einerseits die Ökonomisierung antreiben und vice versa, dass dies andererseits der Umverteilung von öffentlichen Geldern zu privaten, profitorientierten Akteuren dient.
Giulia Loffreda aus dem Peoples‘ Health Movement betrachtet für uns dazu den Stand der politischen Auseinandersetzung in England, ebenso wie John Puntis, ein Aktivist der Initiative »Keep Our NHS Public«, mit der wir seit »vdää on tour« nach London im Jahr 2014 solidarisch verbunden sind. Göran Dahlgren kritisiert die gesundheitspolitischen Entwicklungen in Schweden, wo durch einen euphemistisch betitelten Gesetzentwurf drastische Verschlechterungen in weiten Bereichen der ambulanten Versorgung implementiert wurden. Nadja Rakowitz berichtet über politische Verwerfungen in Finnland. Dort musste die seit 2015 regierende rechtskonservative Regierung aufgrund der versuchten Einführung von marktliberalen Prinzipien in den öffentlichen Gesundheitssektor auf Druck der Opposition zurücktreten. Werner Leischs Beitrag über die Gesundheitspolitik der rechtsradikalen schwarz-blauen Regierung in Österreich gibt einen kritischen Vorgeschmack auf die unsoziale Politik, die von Parteien des rechten Rands zu erwarten ist. Eine der ersten Amtshandlungen von US-Präsident Trump war ein Angriff auf Obamacare. Breite Teile der Bevölkerung setzen sich dagegen zur Wehr. Eckhardt Johanning, der in New York lebt, erläutert die Hintergründe.
Der vdää arbeitet seit vielen Jahren solidarisch mit Aktivist*innen und Gesundheitsarbeiter*innen in Griechenland zusammen. Viele der auch unter Linken verbreiteten Hoffnungen, die mit dem Regierungsantritt von Syriza verbunden waren, haben sich leider nicht bewahrheitet. Anders im Gesundheitswesen: Hier ist es gelungen, die Millionen Menschen ohne Zugang zum Gesundheitssystem wieder hereinzuholen. Und nicht nur das. Andreas Xanthos und Panos Papadopoulos geben uns einen – dennoch nicht nur optimistischen – Überblick über die Gesundheitspolitik der Syriza-Regierung seit 2015.
Im internationalen Kontext stellt Andreas Wulf dar, wie bzw. wie nicht Migration und Flucht mit Gesundheit zusammenhängen. Peter Hoffmann lenkt den Blick wieder vor die eigene Haustür: In Bayern ist der vdää Teil eines Bündnisses, das sich für ein Volksbegehren gegen den Pflegenotstand einsetzt. Nach Berlin und Hamburg das erste Flächenbundesland, in dem eine solche Initiative die Situation in der Pflege verbessern helfen soll. Peter Hoffmann erläutert die Auswirkungen und Hintergründe des Pflegepersonalstärkungsgesetzes und der Pflegepersonaluntergrenzen.
Nicht nur bei den Volksbegehren kann man aktiv werden, auch im vdää. Auf der letzten JHV wurde mehrfach der Wunsch an uns herangetragen, diese Möglichkeiten transparenter darzustellen. Dem möchten wir in diesem Heft mit der Darstellung der Regionalgruppen und der Arbeitskreise nachkommen. In der nächsten Ausgabe werden sich die Listen in den Ärztekammern vorstellen.
In den letzten Monaten hat sich bereits die Redaktion deutlich vergrößert und verjüngt. Obwohl diese Gruppe in dieser Zusammensetzung erst seit kurzem zusammen arbeitet, gelang die Gestaltung dieser Ausgabe in einer sehr entspannten und angenehmen Atmosphäre, die allen Beteiligten Spaß gemacht hat. Wir hoffen dieser Spaß überträgt sich auch auf die Leser*innen.
Die Redaktion
(aus: Gesundheit braucht Politik. Zeitschrift für eine soziale Medizin, Schwerpunkt: Ökonomisierung und Privatisierung international, 1/2019)