Kostenlos ist nicht besser als billig
Ärzte ohne Grenzen lehnen Spende von Pfizer ab
Im Herbst 2016 wollte der Pharmakonzern Pfizer dem Verein Ärzte ohne Grenzen eine Million Impfdosen gegen Lungenentzündung spenden. Die Hilfsorganisation lehnte das ab. Jason Cone, Geschäftsführer der Hilfsorganisation, begründet die Entscheidung ausführlich. Wir haben Ausschnitte davon übersetzt.
Es war keine leichtfertige Entscheidung von Ärzte ohne Grenzen, die Pfizer-Großspende abzulehnen, schließlich werden unsere Teams ständig Zeugen der Auswirkungen von Lungenentzündung. Lungenentzündung ist die Todesursache von beinahe einer Million Kindern jedes Jahr, sie ist unter Kindern die weltweit tödlichste Erkrankung. Die Pneumokokken-Impfung ist zu teuer für viele Entwicklungsländer und humanitäre Organisationen, so auch für Ärzte ohne Grenzen. Die alleinigen Hersteller des Impfstoffs, Pfizer und GlaxoSmithKline (GSK), können den Preis der Impfung künstlich hoch halten; seit 2009 haben die beiden Firmen allein mit dieser Impfung 36 Milliarden US-Dollar verdient. Seit Jahren verhandelt Ärzte ohne Grenzen mit den Firmen über niedrigere Preise. Stattdessen boten sie uns Spenden an.
Aber gespendet, also kostenlos, ist nicht immer besser. An Spenden hängen häufig Bedingungen und Fallstricke, z.B. Beschränkungen auf bestimmte Patientengruppen oder geographische Gebiete, die die Spenden erhalten dürfen. Dies könnte zu Verzögerungen von Impfkampagnen in Notfallsituationen führen, oder die Reichweite der Impfung einschränken.
Spenden können auch langwierige Bemühungen untergraben, den Zugang zu erschwingbaren Impfungen und Arzneimitteln zu erschweren. Anreize für neue Hersteller, einen Markt zu erobern, verschwinden, wenn die Bedürfnisse durch eine Spende gedeckt sind. Wir brauchen Wettbewerb von neuen Firmen, um die Preise überall zu reduzieren – etwas, was momentan für den Pneumokokken-Impfstoff nicht existiert.
Spenden werden oft als eine Methode genutzt, um andere »draufzahlen« zu lassen. Wenn sie den Pneumokokken-Impfstoff verschenken, können die Pharmafirmen das als Legitimation nutzen, warum die Preise für andere hoch bleiben, auch für andere Hilfsorganisationen und Entwicklungsländer.
Spendenangebote können so schnell wieder verschwinden, wie sie gekommen sind. Der Spender hat die alleinige Kontrolle darüber, wem und wann er seine Produkte überlässt. Das bedeutet aber eine Unterbrechung von Impfprogrammen, wenn die Firma beschließt, dass sie nun von der Spende keinen Vorteil mehr hat. Beispielsweise ereignete sich in Uganda ein landesweiter Engpass von Diflucan, einem wichtigen Kryptokokken-Meningitis-Medikament, obwohl Pfizer versprochen hatte, das Medikament an die Regierung zu spenden.
Um diese Risiken zu vermeiden, haben die WHO und andere führende globale Gesundheitsorganisationen klare Empfehlungen gegen die Annahme von Spenden der Pharmafirmen gegeben. Spenden von Impfungen oder Medikamenten scheinen auf den ersten Blick schnelle Hilfe zu bringen, aber sie sind keine Lösungen für die immer höheren Impfkosten hervorgerufen von Pharmagiganten wie Pfizer oder GSK.
In den vergangenen vierzehn Jahren sind die Gesundheitssysteme mit einem massiven Anstieg der Impfstoffpreise konfrontiert worden. Selbst wenn man den niedrigsten und am stärksten subventionierten Preis zugrunde legt – der nur für die ärmsten Länder gilt – kostet es heute 68-mal so viel, ein Kind vollständig zu immunisieren, wie noch vor zehn Jahren. Der hohe Preis des Pneumokokken-Impfstoffes ist eine der Hauptursachen dieses Preisanstiegs, denn er macht fast 45 Prozent der derzeitigen Impfkosten pro Kind aus.
In Entwicklungsländern sollte der Preis für eine Impfung nur wenig über den Produktionskosten liegen. Diesbezüglich ist der Impfstoffmarkt jedoch völlig intransparent. Ein Produkt zu erwerben und dabei einen fairen Preis auszuhandeln, ist schwierig, wenn man keine Informationen darüber hat, wie hoch der Preis in anderen Ländern ist oder wie viel die Produktion kostet.
Letztendlich – nach Jahren voller Verhandlungen und Monaten voller öffentlicher Kampagnen – kündigte GSK Ende 2016 an, dass es seinen Pneumokokkenimpfstoff zum weltweit niedrigsten Preis an Hilfsorganisationen anbieten wird (3,05 US-Dollar pro Dosis oder 9,15 US-Dollar pro Kind für alle drei Dosen). Dies ist ein wichtiger Schritt hin zu einer nachhaltigen Lösung für humanitäre Organisationen, die die Vorteile der Pneumokokken-Impfung allen Kindern zugänglich machen wollen. Im Gegensatz dazu hat Pfizer keinerlei Preis-Konzessionen gewährt, stattdessen bietet der Konzern weiterhin Spenden an. Würde man Pfizers Spende akzeptieren, wäre Kindern in vielen Ländern nicht geholfen. Die Arbeit humanitärer Organisationen sollte nicht auf die Gnade des freiwilligen guten Willens von Pharmafirmen angewiesen sein.
Pfizer sollte den Preis seiner lebensrettenden Pneumokokken-Impfung auf 5 US-Dollar pro Kind für alle humanitären Organisationen und Entwicklungsländer senken. Nur dann können wir einen wichtigen Schritt zur Rettung von Kindern heute und in Zukunft gehen.
Übersetzung aus dem Englischen: Eva Pelz
(aus: Gesundheit braucht Politik. Zeitschrift für eine soziale Medizin, Schwerpunkt: Global Health, 3/2017)