GbP 4-2022 Editorial

Liebe Leser*innen,

die Redaktion der GbP hofft, dass Ihr einen guten Start ins neue Jahr hattet.

Leicht verspätet haltet Ihr nun die vierte Ausgabe des Jahres 2022 in den Händen. Dieses Heft geht noch einmal ein auf die Themen, mit denen wir uns im November beim Gesundheitspolitischen Forum unter der Überschrift »Systemwechsel in der ambulanten Versorgung« auseinandergesetzt haben Es bietet aber auch einen Blick auf Ereignisse und Entwicklungen des gerade vergangenen Jahres.

So begann im Februar der Prozess gegen die Vorgesetzten des Klinikmörders Niels Högel, die schließlich freigesprochen wurden. Karl Beine arbeitet in einem Artikel auf, welche Verantwortung sie außerhalb des juristischen Urteils dennoch tragen und welche gesellschaftlichen Verhältnisse zu einem Klima des Vertuschens und Nichthinsehens führten.

Im September brachen im Iran landesweite Proteste gegen das autoritäre Regime aus, denen seitens der Theokratie mit harter Repression begegnet wird. In einer Pressemitteilung hat der vdää* seine Solidarität mit den Protestierenden sowie den ärztlichen Kolleg*innen, die diesen zur Seite stehen, ausgedrückt. Das Titelbild zeigt das Solidaritätsfoto von der Jahreshauptversammlung. Die anderen Bilder dieser Ausgabe zeigen Fotos von Protesten im Iran oder Solidaritätsprotest in anderen Ländern.

Ende Oktober war die Vorsitzende der türkischen Ärztekammer Sebnem Korur Fincanci mit fadenscheinigen Argumenten in der Türkei festgenommen worden. In Pressemitteilungen haben wir die Freilassung gefordert und auch in offenen Briefen die Bundesregierung um Unterstützung gebeten. Felix Ahls geht auf die Hintergründe dieser Verhaftung ein.

Schließlich wurden erst Anfang Dezember von Gesundheitsminister Lauterbach die lang erwarteten und mit Worten wie »Revolution« und »dramatische Entökonomisierung« angekündigten Reformpläne zur Krankenhausfinanzierung vorgestellt. Auch wenn darin keinesfalls unsere Vorstellungen einer bedarfsgerechten Finanzierung umgesetzt sind, zeigen die Pläne, dass etwas in Bewegung gekommen ist. Dafür kämpfen derzeit viele Initiativen von Krankenhausbeschäftigten. Einige von ihnen haben sich im Rahmen des Gesundheitspolitischen Forums getroffen. Das daraus hervorgegangene Netzwerk der Initiativen hat bereits ein Positionspapier veröffentlicht, welches wir hier dokumentieren. Ein tolles Ergebnis des Gesundheitspolitischen Forums! Eine ausführlichere Analyse der Reformpläne nehmen Thomas Böhm und Nadja Rakowitz vor. Ein weiteres aktuelles Thema in Zusammenhang mit der Krankenhauspolitik stellt Karen Spannenkrebs vor: die internationale Rekrutierung von Gesundheitsfachkräften. Damit beschäftigte sich auch die Auftaktveranstaltung am Freitagabend. Dieses Thema wird den vdää* auch 2023 intensiv beschäftigen.

Nicht nur im Krankenhauswesen, sondern auch bei der ambulanten Versorgung ist etwas in Bewegung. Mehrere Veranstaltungen beim Gesundheitspolitischen Forum haben sich mit den potentiellen Möglichkeiten von Versorgungszentren, sowie der Gefahr ihrer Vereinnahmung durch kapitalistische Unternehmen befasst. Nadja Rakowitz und Jürgen Seeger dokumentieren hier die Ergebnisse des Workshops zu kommunalen und genossenschaftlichen MVZs und wir haben die Analyse von Matthias Gruhl zu ambulanten Versorgungszentren, die er auf unserem Treffen referierte, zusammengefasst.

Am ersten Wochenende im November fand das deutschlandweite Netzwerktreffen der Kritischen Mediziner*innen statt. Simon Barmann von den Kritischen Mediziner*innen Freiburg hat es für uns zusammengefasst und ein Text der Kritischen Medizin München geht noch einmal genauer auf die einzelnen Workshops dort ein.

Die Kritischen Mediziner*innen Oldenburg haben in diesem Jahr eine Workshopreihe gemeinsam mit Pflegeauszubildenden organisiert. Sie berichten über ihre Erfahrungen und warum eine interprofessionelle aktivistische Zusammenarbeit trotz möglicher Schwierigkeiten während der Ausbildung wichtig ist.

Nadja Rakowitz gibt uns eine zusammenfassende Übersicht zum JHV-Wochenende und Bernhard Winter schlägt den Bogen zur diesjährigen JHV. Er fasst zusammen, was es eigentlich mit dem für kritische Mediziner*innen historisch so wichtigen Marburger Kongress »Medizin und gesellschaftlicher Fortschritt« auf sich hatte, der sich in wenigen Tagen, am 21./22.1. 2023 zum 50. Mal jährt. Auf unserer nächsten Jahrestagung im Herbst wollen wir uns mit seinen Diskussionen intensiver beschäftigen und prüfen, welche Ansätze von damals für unsere aktuelle Arbeit genutzt werden können. In der Vorbereitung werden sich die nächsten Ausgaben der GbP u.a. mit dem Marburger Kongress beschäftigen.

Leider mussten wir in den letzten Monaten von zwei herausragenden Persönlichkeiten der kritischen Medizin – Hans Mausbach und Klaus Dörner – Abschied nehmen. Winfried Beck und Karl Beine haben ihr Wirken in Nachrufen gewürdigt.

(Gesundheit braucht Politik. Zeitschrift für eine soziale Medizin, Schwerpunkt: Viel zu tun im Gesundheitswesen. Entprivatisierung, Demokratisierung, Vergesellschaftung, Nr. 4, Dezember 2022)

 

 


Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte
Gesundheit braucht Politik wird vom ärztlichen Berufsverband vdää herausgegeben, der sich als Alternative zu standespolitisch wirkenden Ärzteverbänden versteht.

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