GbP 4-2021 Böhm

Fortschritt, wohin?

Bündnis Krankenhaus statt Fabrik seziert den Koalitionsvertrag

Krankenhausstrukturen und -planung

1.      »Um die Ambulantisierung bislang unnötig stationär erbrachter Leistungen zu fördern, setzen wir zügig für geeignete Leistungen eine sektorengleiche Vergütung durch sogenannte Hybrid-DRG um.« (kursive Passagen sind Zitate aus dem Koalitionsvertrag)

 

Hybrid-DRG sind DRG, die sowohl für den ambulanten Bereich als auch für Krankenhäuser gelten sollen. Für die Krankenhäuser soll damit ein finanzieller Anreiz geschaffen werden, ambulant und nicht stationär zu behandeln. Die Hybrid-DRG sollen höher als die bisherigen ambulanten Vergütungen, aber niedriger als die stationären DRGs sein. Für die Niedergelassenen stellt dies eine Einnahmenerhöhung dar, für die Krankenhäuser zunächst einen Einnahmeverlust. Ob die neuen DRGs so hoch sind, dass sie die höheren Vorhaltekosten eines Krankenhauses abdecken, ist zu bezweifeln.

Zu erwarten ist auch, dass die Kassen ihre Kontrollen (und die damit verbundenen Vergütungskürzungen) nochmals verschärfen und es noch schwieriger wird, Patient*innen, bei denen eine stationäre Versorgung eher aus sozialen/individuellen Gründen notwendig ist, adäquat zu versorgen.

Es ist zu erwarten, dass die Hybrid-DRG nur für bestimmte Diagnosen und Prozeduren mit kurzer Verweildauer (die man aus der stationären Versorgung verbannen will) eingeführt werden. Die eigentlich notwendige generelle Öffnung der Krankenhäuser für die ambulante Versorgung und die Abschaffung der »2. Facharztschiene« (niedergelassene Fachärzt*innen) ist damit nicht verbunden.

Grundsätzlich handelt es sich auch bei den Hybrid-DRG wieder um eine Form der finanziellen Steuerung, die quasi automatisch Fehlsteuerungen zur Folge hat (es wird gemacht, was sich lohnt und nicht, was notwendig ist).

Hinzukommt, dass die »Ambulantisierung« der Versorgung von bisher stationär erbrachten Leistungen vorangetrieben wird, unabhängig davon, ob die Strukturen für eine gute ambulante Behandlung vorhanden sind oder nicht. Bei finanzieller Steuerung ist zu erwarten, dass Strukturen nur ausgebaut werden, wenn sie lukrativ sind, unabhängig vom Versorgungsbedarf. Sinnvoll wäre also ein bedarfsgerechtes, flächendeckendes und wohnortnahes Netz von ambulanten Einrichtungen der Krankenhäuser, auch um unnötig weite Wege zu vermeiden. Daran ist aber wohl überhaupt nicht gedacht, stattdessen soll vermutlich der Leitungsbereich der niedergelassenen Facharztschiene ausgeweitet werden. Das bedeutet im Ergebnis: stationäre Fälle sollen reduziert werden und die pflegerische Nachsorge nach ambulant erbrachten Leistungen wird entweder auf die Angehörigen abgewälzt (dann kostet es nichts) oder ambulanten Pflegediensten überlassen, was zwar auch Kosten verursacht, aber an anderer Stelle.

Kernproblem ist: Statt die DRG abzuschaffen oder zumindest einzuschränken, wird damit das DRG-System auf Teile des ambulanten Bereichs ausgedehnt.

2.      »Durch den Ausbau multiprofessioneller, integrierter Gesundheits- und Notfallzentren stellen wir eine wohnortnahe, bedarfsgerechte, ambulante und kurzstationäre Versorgung sicher und fördern diese durch spezifische Vergütungsstrukturen.«

Diese Festlegung könnte in Richtung eines solchen oben genannten Netzes weisen. Die Formulierung ist aber so unbestimmt, dass es auch möglich ist, dass der niedergelassene Bereich weiter gestärkt werden soll – was bei einer FDP-Beteiligung an der Regierung eher wahrscheinlich ist (siehe auch 4.). Wieder wird statt einer bedarfs­orien­tierten Planung und Steuerung auf finanzielle Anreizsysteme gesetzt.

3.      »Die Notfallversorgung soll in integrierten Notfallzentren in enger Zusammenarbeit zwischen den kassenärztlichen Vereinigungen (KV) und den Krankenhäusern (KH) erfolgen. Wir räumen den KVen die Option ein, die ambulante Notfallversorgung dort selbst sicherzustellen oder diese Verantwortung in Absprache mit dem Land ganz oder teilweise auf die Betreiber zu übertragen.«

Statt die Krankenhäuser für die ambulante Versorgung zu öffnen, wird den Niedergelassenen die Möglichkeit eingeräumt, in die Krankenhäuser einzuziehen. Damit wird die Aufhebung der Sektorentrennung exakt in die falsche Richtung gewendet. Nur wenn sie die Notfallversorgung personell nicht stemmen, dürfen die kassenärztlichen Vereinigungen diese Sparte der ambulanten Versorgung an die Krankenhäuser abgeben, ohne den politischen Anspruch auf den Sicherstellungsauftrag der ambulanten Versorgung zu riskieren. Auch eine Art von Schützenhilfe für die niedergelassenen Kleinunternehmer.

4.      »Wir stellen gemeinsam mit den KVen die Versorgung in unterversorgten Regionen sicher. Wir heben die Budgetierung der ärztlichen Honorare im hausärztlichen Bereich auf. Die Gründung von kommunal getragenen Medizinischen Versorgungszentren und deren Zweigpraxen erleichtern wir und bauen bürokratische Hürden ab. Entscheidungen des Zulassungsausschusses müssen künftig durch die zuständige Landesbehörde bestätigt werden.«

Die Bestätigung der Entscheidungen des Zulassungsausschusses durch die zuständigen Landesbehörden ist nicht ausreichend, insbesondere, weil sich die Länder aus diesem brisanten Thema heraushalten werden. Will man die Sektoren wirklich abschaffen und eine gemeinsame Bedarfsplanung für den ambulanten und stationären Bereich etablieren (s.u.), müsste zunächst der Sicherstellungsauftrag für den ambulanten Bereich von der Kassenärztlichen Vereinigung auf die Länder übergehen. Solange die KV faktisch entscheidet, wer sich wo niederlässt, hat die Planung weniger mit guter Versorgung als mit Pfründe-Sicherung zu tun. Nur eine gemeinsame Planung beider Bereiche durch die Länder bietet die Möglichkeit einer Überwindung der Sektorengrenzen. Die KVen sind eine Interessenvertretung niedergelassener Kleinunternehmer. Sie mit der Planung und Sicherstellung zu beauftragen, ist genauso falsch, wie wenn man den Krankenhäusern die Planung der stationären Versorgung überlassen würde – insbesondere, wenn finanzielle Anreizsysteme wirksam sind.

Bezeichnend ist auch, dass für die Klientel der FDP die Budgetierung aufgehoben werden soll. Bei den Krankenhäusern bleibt es natürlich bei der Budgetdeckelung.

Dass die Gründung kommunaler Versorgungszentren erleichtert werden soll, ist ein Lichtblick, ändert aber nichts daran, dass die MVZ zwischenzeitlich ein Tummelplatz für profitorientierter private Klinikkonzerne und andere private Investoren sind, die nur an ihren Gewinnmöglichkeiten interessiert sind. Wichtiger wäre ein Gewinnverbot auch in diesem Bereich und damit der Ausschluss der privaten Geldhaie. Andernfalls werden in lukrativen Bereichen mit Hilfe von MVZ Gewinne privat entnommen, während kommunalen MVZ unlukrative Bereiche überlassen bleiben, in denen betriebswirtschaftliche Verluste sozialisiert werden müssen.

5.      »Mit einem Bund-Länder-Pakt bringen wir die nötigen Reformen für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung auf den Weg. Eine kurzfristig eingesetzte Regierungskommission wird hierzu Empfehlungen vorlegen und insbesondere Leitplanken für eine auf Leistungsgruppen und Versorgungsstufen basierende und sich an Kriterien wie der Erreichbarkeit und der demographischen Entwicklung orientierende Krankenhausplanung erarbeiten.«

Nachdem faktisch alle Bundesländer in den letzten Jahren (verstärkt seit Einführung der DRG) mehr oder weniger stark aus einer wirklichen Krankenhausplanung ausgestiegen sind und meist nur noch eine Bettenverwaltung betreiben, steht jetzt anscheinend ein Revival der Planung ins Haus. Offensichtlich sollen die Planungsvorstellungen, die aktuell in Nordrhein-Westfalen umgesetzt werden, auf alle Länder übertragen werden. Auch wenn eine differenzierte und am Bedarf orientierte Planung längst überfällig ist, ist hier aber Vorsicht geboten. Denn es steht zu befürchten, dass Qualitätskriterien und Leistungsgruppen zur weiteren Schließung von Krankenhäusern und Betten instrumentalisiert werden sollen.

Bezeichnend ist, dass Formulierungen im Entwurf des Koalitionsvertrages, die eine Beteiligung des Bundes an der Investitionskostenfinanzierung unter bestimmten Bedingungen (Bereitschaft zur Planung im o.g. Sinn) vorsahen, im endgültigen Vertrag nicht mehr auftauchen. Damit ist das eminent wichtige Thema einer endlich bedarfsgerechten Investitionskostenfinanzierung für diese Regierung wohl stillschweigend beerdigt.

Finanzierung

6.      »Sie (die Kommission, d. Verf.) legt Empfehlungen für eine Weiterentwicklung der Krankenhausfinanzierung vor, die das bisherige System um ein nach Versorgungsstufen (Primär-, Grund-, Regel-, Maximalversorgung, Uniklinika) differenziertes System erlösunabhängiger Vorhaltepauschalen ergänzt.«

7.      »Kurzfristig sorgen wir für eine bedarfsgerechte auskömmliche Finanzierung für die Pädiatrie, Notfallversorgung und Geburtshilfe.«

8.      »Wir evaluieren mögliche Fehlanreize rund um Spontangeburten und Kaiserschnitte …«

Vorhaltepauschalen schränken die Wirkung der DRG ein, insofern sind sie zu begrüßen. Ihre einschränkende Wirkung hängt stark von ihrer Höhe ab. Sind sie zu niedrig, wirken sie nur wie ein Placebo. Trotzdem bleiben aber natürlich die Fehlanreize der DRG (Kostendumping, Mengenausweitung, Konkurrenzkampf) erhalten und werden auch weiterwirken.

Die Formulierung »bedarfsgerechte auskömmliche Finanzierung für die Pädiatrie, Notfallversorgung und Geburtshilfe« heißt nicht, dass dort die DRG abgeschafft werden. Es kann auch lediglich eine Erhöhung der monetären Bewertung gemeint sein. Bleibt es bei der Logik der bisherigen DRG-Berechnung bedeutet dies nur, dass die anderen Bereiche entsprechend abgesenkt werden. Aber selbst wenn für Pädia­trie, Notfallversorgung und Geburtshilfe tatsächlich die DRGs außer Kraft gesetzt würden, wäre das zwar ein wichtiger Fortschritt und Erfolg, in allen anderen Bereichen bestünden die Probleme, die durch das Preissystem der DRG ausgelöst werden, weiter.

Die Formulierung, dass »mögliche Fehlanreize rund um Spontangeburten und Kaiserschnitte« evaluiert werden sollen, heißt, dass man sich nicht einmal einig ist, dass es diese Fehlanreize überhaupt gibt (Kaiserschnitte werden deutlich besser vergütet und sind leichter zu händeln; ihr Anteil an den Geburten insgesamt hat sich seit Einführung der DRG erhöht). Dass sich hier etwas ändert, ist damit äußerst zweifelhaft. Außerdem ist das ja kein solitäres, sondern ein grundsätzliches Problem, immer dann, wenn die Versorgung an ein Preissystem gekoppelt ist. Es ließen sich viele andere solche »Problemfelder« aufzählen (z.B. Endoprothetik) – eben überall, wo es sich lohnt.

9.      Insgesamt ist, entgegen den teilweise vollmundigen Erklärungen während der Corona-Pandemie und im Vorfeld der Wahlen, keine wirkliche Abkehr vom Preissystem der DRG zu erkennen – im Gegenteil: Mit den Hybrid-DRG wird es sogar ausgedehnt. Auch ein Verbot, Gewinne mit der Versorgung von Kranken zu machen, und ein Zurückdrängen der privaten Krankenhausketten sind nicht geplant.

10.  »Im Rahmen der Reform der Krankenhausvergütung werden Mittel für Weiterbildung in den Fallpauschalen künftig nur an die Kliniken anteilig ausgezahlt, die weiterbilden.«

Auch ein Nebenkriegsschauplatz, der im Zweifelsfall nur zu einer Umverteilung der insgesamt zu geringen Vergütung führt und die DRG letztlich stabilisiert. Zudem ist unklar, was damit gemeint ist (ärztliche Weiterbildung, alle Weiterbildungen?) und wie das umgesetzt werden soll.

11.  »Zudem erhöhen wir die Attraktivität von bevölkerungsbezogenen Versorgungsverträgen (Gesundheitsregionen) und weiten den gesetzlichen Spielraum für Verträge zwischen Krankenkassen und Leistungserbringern aus, um innovative Versorgungsformen zu stärken.«

Die Ausweitung des gesetzlichen Spielraums für »Verträge zwischen Krankenkasse und Leistungserbringern« steht seit Jahren auf der Wunschliste der Neoliberalen und der Krankenkassen. Sie treten unter verschiedenen Labeln auf (Einkaufsmodell der Krankenkassen, Selektivverträge, Qualitätsverträge), jetzt kommt also das Etikett »innovative Versorgungsformen« dazu. Letztlich geht es immer um dasselbe: Aufhebung des Kontrahierungszwangs (alle Krankenhäuser, die im Krankenhausplan aufgenommen sind, müssen einheitlich vergütet werden) und weitere Annäherung an echte Marktpreise.

Auch wenn man im Prinzip an den DRG festhalten will, wird eine Tür in Richtung Capitation (Regionalbudgets) aufgestoßen. Capitation bzw. Regionalbudgets bedeuten, dass für die Versorgung der Bevölkerung einer Region ein Gesamtbudget festgelegt wird, das die Leistungserbringer dann unter sich aufteilen sollen. Einmal abgesehen von den Verteilungskämpfen, das dieses Modell unter in Konkurrenz zueinander stehenden Akteuren auslöst, hat es für die Bevölkerung massive negative Auswirkungen. Unterversorgung ist vorprogrammiert, weil jede »Nicht-Behandlung« Kosten erspart und Gewinne erhöht. Eine solche Entwicklung wäre der sprichwörtliche Wechsel vom Regen in die Traufe.

Interessant ist auch, dass das Pflegebudget (also die Herausnahme der Pflege aus den DRG) nicht erwähnt wird. Damit ist die Tür zur Abschaffung dieser – von uns begrüßten, aber zu beschränkten – Regelung geöffnet.

Beschäftigte

12.  »Der Bund wird hierfür (für Pflege in Krankenhäusern und Heimen, der Verf.) eine Milliarde Euro zur Verfügung stellen. Dazu werden wir die Steuerfreiheit des Pflegebonus auf 3.000 Euro anheben.«

 

Auch wenn der genaue Begünstigtenkreis und damit die Höhe des Bonus für die Einzelnen noch unklar sind, ist von dieser Einmalzahlung keine wirkliche Änderung der Attraktivität des Pflegeberufs zu erwarten. Notwendig wäre eine dauerhaft erhöhte Vergütung.

»Kurzfristig führen wir zur verbindlichen Personalbemessung im Krankenhaus die Pflegepersonalregelung 2.0. (PPR 2.0) als Übergangsinstrument mit dem Ziel eines bedarfsgerechten Qualifikationsmixes ein.«

Ein richtiger Schritt. Zu denken gibt nur die Formulierung, dass die PPR 2.0 ein »Übergangsinstrument mit dem Ziel eines bedarfsgerechten Qualifikationsmixes« sei. Eine Personalbemessung im Krankenhaus hat das Ziel, sichere und professionelle, hochqualifizierte Medizin und Pflege der Patient*innen sicher zu stellen und Überlastung der Beschäftigten zu verhindern. Die Erhebung des »Qualifikationsmixes« zum Ziel weist eher in Richtung einer Reduzierung der ganzheitlichen Pflege und eines Ersatzes von vollwertigen Pflegekräften durch Hilfskräfte je nach Pflegegrad der Pa­tient*innen oder zu Pflegenden, wie sie für die Langzeitpflege schon vorgeschlagen wurde (s.u.). Im Zusammenhang mit der ebenfalls angestrebten Akademisierung der Pflege könnte das Ergebnis dann ein stark hierarchisch abgestuftes Berufsbild und Tätigkeitsfeld sein.

13.  »… und führen einen Personalschlüssel für eine 1:1-Betreuung durch Hebammen während wesentlicher Phasen der Geburt ein. Wir stärken den Ausbau hebammengeleiteter Kreißsäle und schaffen die Möglichkeit und Vergütung zur ambulanten, aufsuchenden Geburtsvor- und -nachsorge für angestellte Hebammen an Kliniken«

Ebenfalls richtig. Die Frage ist nur, was sind die »wesentlichen Phasen der Geburt«?

14.  »Wir wollen den Pflegeberuf attraktiver machen, etwa mit Steuerbefreiung von Zuschlägen, durch die Abschaffung geteilter Dienste, die Einführung trägereigener Springerpools und einen Anspruch auf familienfreundliche Arbeitszeiten für Menschen mit betreuungspflichtigen Kindern.«

Alles nicht falsch, aber geteilte Dienste sind weniger das Problem als das ständige Einspringen aus dem Frei und die Springerdienste sind ja auch schon eine Folge von Unterbesetzung und Überlastung. Steuerfreie Zuschläge lösen das Problem der systematischen Unterbezahlung der Pflege nicht.

15.  »Wir harmonisieren die Ausbildungen u. a. durch bundeseinheitliche Berufsgesetze für Pflegeassistenz, Hebammenassistenz und Rettungssanitäter und sorgen für eine gemeinsame Finanzierung von Bund und Ländern. Die akademische Pflegeausbildung stärken wir gemeinsam mit den Ländern. Dort, wo Pflegefachkräfte in Ausbildung oder Studium bisher keine Ausbildungsvergütung erhalten, schließen wir Regelungslücken.«

Pflegeassistenz und Akademisierung sind Bauteile eines Konzeptes, das auf das Ende der ganzheitlichen Pflege und auf Taylorisierung ausgerichtet ist. Genau das braucht die Pflege nicht.

16.  »Mit einer bundesweiten Befragung aller professionell Pflegenden wollen wir Erkenntnisse darüber erlangen, wie die Selbstverwaltung der Pflege in Zukunft organisiert werden kann. Wir stärken den Deutschen Pflegerat als Stimme der Pflege im Gemeinsamen Bundesausschuss und anderen Gremien und unterstützen ihn finanziell bei der Wahrnehmung seiner Aufgaben.«

Das Traumprojekt der oberen Führungsebenen in der Pflege, die Pflegekammern, dürfen nicht fehlen. Sie sind eine Alibiveranstaltung, die nichts mit wirklicher Interessenvertretung zu tun hat. Zumindest sollen die Pflegekräfte darüber abstimmen dürfen. Es ist zu hoffen, dass sie sich eindeutig dagegen aussprechen.

17.  »Wir vereinfachen und beschleunigen die notwendige Gewinnung von ausländischen Fachkräften und die Anerkennung von im Ausland erworbener Berufsabschlüsse.«

Die zügige Anerkennung von im Ausland erworbenen Berufsabschlüssen ist nicht das Problem, aber insgesamt macht es sich die Koalition hier sehr einfach und verlagert ein hausgemachtes Problem einfach ins Ausland. Dass man sich so am Braindrain beteiligt und die Kräfte dann in den Herkunftsländern fehlen werden, die ihre Ausbildung obendrein bezahlt haben, ist für eines der reichsten Länder der Welt erbärmlich. Das wird die Pro­bleme des Gesundheitswesens in Deutschland nicht lösen und die Probleme anderswo verschärfen.

Weitere Festlegungen

Eine Bürgerversicherung wird es nicht geben, dafür die Einführung von monetären Boni für Beitragszahler in der GKV und Steuerzuschüsse. Anstatt die PKV abzuschaffen, nähert sich die GKV mit den Boni an die PKV an. Die solidarische Finanzierungsbasis wird beschädigt und das individuelle Versicherungsprinzip salonfähig gemacht.

In der letzten Legislaturperiode war die Lieblingsphrase das Thema Qualität war, jetzt ist es die Digitalisierung. In allen Zusammenhängen und Bereichen wird die Notwendigkeit der Digitalisierung betont. Dagegen spricht nichts. Die Hoffnung, dass die Arbeit dadurch weniger und alles besser und billiger wird, hat sich bisher nirgends erfüllt. Mit den Möglichkeiten wachsen die Anforderungen.

Es soll ein Bürokratieabbaupaket geben. Was darunter genau zu verstehen ist, wird nicht ausgeführt. Unser Vorschlag wäre auch an dieser Stelle: Abschaffung des DRG-Fallpauschalensystems mit seinem ungeheuren Rattenschwanz an Dokumentation und Bürokratie.

Thomas Böhm für das Bündnis Krankenhaus statt Fabrik, 17. Dezember 2021

(Gesundheit braucht Politik. Zeitschrift für eine soziale Medizin, Schwerpunkt: Entprivatisierung, Demokratisierung, Vergesellschaftung, Nr. 4, Dezember 2021)


Verein demokratischer Ärztinnen und Ärzte
Gesundheit braucht Politik wird vom ärztlichen Berufsverband vdää herausgegeben, der sich als Alternative zu standespolitisch wirkenden Ärzteverbänden versteht.

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