Alle zusammen oder exklusive Solidarität?
Nadja Rakowitz zur Trennung von ver.di und Marburger Bund
Wenn man sich als Ärzt*in gewerkschaftlich organisieren will und wenn man für sich christliche, anarchosyndikalistische oder irgendwelche Kleingewerkschaften ausschließt, bleiben aktuell der mb (nur für Ärzt*innen) und ver.di, die dgb-Gewerkschaft für alle Beschäftigten im Gesundheitswesen. Die Tarifverträge für Ärzt*innen von ver.di und Marburger Bund (mb) unterscheiden sich, weil beide getrennt mit den Arbeitgeber*innen verhandeln und andere Laufzeiten haben. Der Text versucht zu beschreiben, warum und seit wann das so ist.1
Bis zum Jahr 2001 wurden Tarifverhandlungen im öffentlichen Dienst auf der einen Seite durch die geschlossene Bank der öffentlichen Arbeitgeber geführt, auf der anderen Seite durch die in Konkurrenz zueinander stehenden Gewerkschaften Gewerkschaft Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr (ÖTV) und Deutsche Angestelltengewerkschaft (DAG). Dies führte dadurch, dass die Tarifforderungen der Arbeitnehmerseite uneinheitlich waren (die Forderungen der DAG waren durchgehend geringer als die der ÖTV), zu einer unproduktiven Schwächung der Arbeitnehmervertreter. Der mb war zunächst jahrelang überhaupt nicht bei Tarifverhandlungen vertreten da ihm von allen Seiten keine »Tarifmächtigkeit« zugetraut wurde, also die Fähigkeit, seine Forderungen auch gegen Widerstand des Arbeitgebers durchzusetzen. Der mb hatte beschlossen, sich unter den Mantel der DAG zu begeben und damit dort mit einem Vertreter bei den Tarifverhandlungen dabei sein zu können.
2001 war es dann soweit: nach jahrelangen Vorbereitungen schlossen sich 5 Gewerkschaften: 4 DGB-Gewerkschaften (ÖTV, Deutsche Postgewerkschaft, Gewerkschaft Handel, Banken und Versicherungen – HBV, IG Medien) und die DAG zu einer einheitlichen Gewerkschaft, der Vereinten Dienstleistungsgewerkschaft ver.di zusammen. Damit war auch der mb unter dem Dach von ver.di. Durch diesen Zusammenschluss war die jahrzehntelange Spaltung der Arbeitnehmerseite beendet und es bestand die Hoffnung auf ver.di und mb gemeinsam über den neuen Tarifvertrag öffentlicher Dienst (TVöD), der den veralteten Bundes-Angestelltentarifvertrag (BAT) ablösen und für die Betriebe von Bund und Kommunen gelten sollte. Die Tarifgemeinschaft der Länder (TdL) hatte die Tarifverhandlungen schon vorher verlassen. Im September 2005, in der Nacht vor dem Abschluss beschloss der mb, die Tarifgemeinschaft mit ver.di aufzukündigen und den Vertrag nicht zu unterzeichnen.
Wie kam es dazu?
In den frühen 2000er Jahren gab es harte politische Auseinandersetzungen zwischen Arbeitgeber*innen und Arbeitnehmer*innen um die Gestaltung des öffentlichen Dienstes einschließlich der Bezahlung der Beschäftigten. Die Arbeitgeber*innen ritten auf der Welle des neoliberalen Umbaus der Gesellschaft und des Staates: Das Gesundheitswesen wurde zu einem Gesundheitsmarkt umgebaut, die Finanzierung der Krankenhäuser wurde zu diesem Zweck 2004 auf Fallpauschalen (DRG) umgestellt und die Privatisierung von Krankenhäusern vorangetrieben; die öffentliche Hand wurde durch neoliberale Steuerreformen arm gespart und im Zuge dessen wurden der öffentliche Dienst und die öffentliche Daseinsvorsorge zunehmend in Frage gestellt und privatisiert.
Das gedeckelte Budget für die Finanzierung der Krankenhäuser erlaubte keine zusätzlichen Erlöse und es war nicht erkennbar, dass die Krankenhaus-Budgets in den nächsten Jahren auch nur die geringsten Steigerungen erfahren würden. Eher war das Gegenteil der Fall. Folglich drohte die Gefahr, dass sich die Kämpfe um die Verteilung des Kuchens unter den Beschäftigten und nicht mehr zwischen den Beschäftigten und den Arbeitgeber*innen abspielten – und dass die vermeintlich Stärksten sich auf Kosten der Schwachen durchzusetzen drohten. Wer aber war stark? Die Ärzt*innen wegen ihrer durch die Ökonomisierung noch mehr herausgehobenen Stellung innerhalb des Krankenhausgeschehens oder die Pflegekräfte schon alleine wegen ihrer Anzahl?
Zunächst bekamen auch die Ärzt*innen die Arroganz vor allem der öffentlichen Arbeitgeber der Länder hart zu spüren. In den Landesbetrieben, zu denen vor allem die Unikliniken gehörten, herrschte zumindest für die neu Angestellten wegen des Austritts der TdL aus den Verhandlungen ein tarifloser Zustand. Zugleich nahm die Belastung am Arbeitsplatz durch die Verweildauerverkürzung, durch den DRG-getriggerten Mehraufwand an Dokumentationsverp?ichtungen und durch die Arbeitsverdichtung in den Bereitschaftsdiensten zu. Alle Gerichtsverfahren, die die Arbeitgeber zur Einhaltung der wöchentlichen Höchstarbeitszeiten verp?ichten sollten, wurden zwar von den Beschäftigten in allen Instanzen bis hinauf zum EuGH gewonnen, aber die Krankenhausarbeitgeber verstärkten ihre Lobby-Tätigkeit auf EU-Ebene, um die EU-Arbeitszeitrichtlinie wieder zu verwässern.
Dieser Umgang mit den Ärzt*innen war für die Arbeitgeber*innen nicht ganz unproblematisch. Noch in den achtziger und neunziger Jahren herrschte bei den Ärzt*innen eine hohe Arbeitslosigkeit (»Ärzteschwemme«) und die im öffentlichen Dienst angestellten Ärzt*innen profitierten – ohne selbst massenhaft kampffähig und -willens zu sein – von der hohen Kampfkraft der Müllwerker*innen und der Beschäftigten des öffentlichen Nahverkehrs. Anfang der 2000er sah die Situation auf dem Teilarbeitsmarkt für Ärzt*innen aber ganz anders aus: Man steuerte praktisch auf eine seit den 70er-Jahren nicht mehr gekannte Vollbeschäftigung zu; 2001 betrug die Arbeitslosenquote für Ärzt*innen nur noch 2,1 % und sie fiel weiter. Die Besetzung freier Arztstellen war zu den herrschenden Bedingungen z.B. in den neuen Bundesländern mit den dort abgesenkten Tarifen kaum noch zu bewerkstelligen.
Waren die Ärzt*innen eher als unfähig eingeschätzt worden, ihre Interessen auf betrieblicher Ebene trotz verbesserter Aussichten auf dem Arbeitsmarkt wirksam zu vertreten und sich gegen derartige Zumutungen zur Wehr zu setzten, sollte sich das bald ändern. Vor allem an den Unikliniken machte sich der Unmut breit und die Assistenzärzt*innen begannen, sich in spontan gebildeten Aktionsgruppen zu organisieren und artikulierten ihren Protest auch gegen die sich rapide verschlechternden Arbeitsbedingungen. Zeitgleich schälte sich im Verlauf der Redaktionsverhandlungen das neue Entgeltgerüst des TVöD schon heraus mit der Eingangs-Entgeltgruppe (E 13) für Akademiker*innen, die auch für die Ärzt*innen angedacht war. Es entwickelte sich von da an eine Dynamik, die auch auf den mb einzuwirken begann. Im Endstadium der Verhandlungen zum TVöD kündigte der mb, nachdem er bislang Zustimmung zu den Verhandlungsergebnissen zum TVöD signalisiert hatte, überraschend die Tarifgemeinschaft mit ver.di. Konfrontiert mit einem zunehmenden Druck auch innerhalb des Verbandes stellte er sich mit Tarifforderungen von bis zu 30 % mehr Gehalt an die Spitze der Bewegung.
Der Führung des mb war klar geworden, dass eine Zustimmung zum TVöD bei den Ärzt*innen der Universitätskliniken, die schon längst protestierten, niemals Akzeptanz gefunden hätte. Diese zunehmend kämpferische und kompromisslose Haltung der Uni-Ärzt*innen hatte die TdL mit einer provozierend arbeitnehmerfeindlichen Tarifpolitik geradezu herausgefordert. Die TdL war schon ein Jahr vorher aus den Tarifverhandlungen zum TVöD ausgeschert, hatte autokratisch die Verlängerung der Wochenarbeitszeiten verordnet, Kürzungen bei Urlaubs- und Weihnachtsgeld und vielerorts Abstriche bei der Überstundenbezahlung durchgesetzt und eine nahezu flächendeckende Befristungen von Arbeitsverträgen etc. – all dies konfrontierte die akademische Ärzt*innenschaft mit marktwirtschaftlichen Grundsätzen. Die bislang materiell und – seinem sozialen Status nach besser als andere abgesicherten Ärzt*innen sahen sich von sozialer Deklassierung bedroht; sie sollten von der tendenziellen Verschlechterung der Lohn- und Arbeitsbedingungen im öffentlichen Dienst nicht verschont bleiben. Diese Drohung wurde vor Ort verstanden und ernst genommen. An den Universitäten war der Protest zunächst wohl eher autonom, der mb machte sich die Anliegen des Protests im Weiteren zueigen und wollte diese unabhängig von den anderen Beschäftigten in einem eigenen Tarifvertrag für Ärzt*innen durchsetzen.
Vorher war der mb aber mit seinem Vertreter am gesamten Reformprozess des BAT, der schließlich zum neuen TVöD führte, beteiligt – auch was den speziellen Teil für die Krankenhäuser betrifft. Während der gesamten Diskussion war von einem eigenen Ärztetarifvertrag keine Rede gewesen. Tari?ichen Regelungen zur Weiterbildung der Ärzt*innen, die ver.di in die Diskussion einführte, stand er ablehnend gegenüber. Eine gesonderte Entgelttabelle für Ärzt*innen wurde erst ganz zum Schluss kurz vor der Unterschrift der Verhandlungspartner Mitte September 2005 Gegenstand der Diskussion. Bis dahin ging es einzig darum, ob für die Ärzt*innen die Entgeltgruppe 13 oder 14 als Eingangsgruppierung herhalten sollte. Trotz Übernahme der Forderungen des Marburger Bundes zur gesonderten Tarifstruktur für Ärzt*innen mit der Eingangsentgeltgruppe 14 und raschem Aufstieg in die Entgeltgruppe 15 nach Erreichen der Facharztquali?kation, beendete der mb die Zusammenarbeit und forderte seine Mitglieder auf, sich in den Krankenhäusern der Überleitung in die neue Tarifstruktur zu widersetzen und den BAT beizubehalten, bis man einen eigenen TV verhandeln würde.
Problem TVöD
Die TdL war bereits im Jahr zuvor aus den TVöD-Verhandlungen ausgestiegen und zeigte sich an einem Flächentarifvertrag desinteressiert. Durch Ausgründungen, Privatisierungen und durch Überschuldung vieler Kommunen war der Flächentarifvertrag für den öffentlichen Dienst einem bedrohlichen Aushöhlungsprozess unterworfen und akut vom Kollaps bedroht, sein Untergang hätte auch ver.di als Gewerkschaft des öffentlichen Dienstes mitgerissen. Vertreter der öffentlichen Arbeitgeber*innen hatten massiv mit dieser Option Druck entfaltet. Sie ließen keinen Zweifel daran, dass sie sich auf einen Flächentarifvertrag für den öffentlichen Dienst nur einlassen würden, wenn die Gewerkschaftsseite im Gegenzug deutliche materielle Zugeständnisse gegenüber dem BAT mache und eine langfristige Verschlechterung der Arbeits- und Einkommensverhältnisse im öffentlichen Dienst geschehen lasse. Und so kam es dann. ver.di musste im TVöD Positionen aufgeben, die angesichts der politischen Kräfteverhältnisse nicht mehr zu verteidigen waren. Die Crux lag dann aber in der Kommunikation, in der Darstellung und Bewertung des TVöD. Vielleicht wurde das Ergebnis als so katastrophal eingeschätzt, dass die Wahrheit verborgen bleiben sollte. Jedenfalls wurden die Mitglieder zunächst mit allerlei Hurra-Parolen zum historischen Vertragswerk beglückt. Erst in den Folgemonaten erfuhren und verstanden sie viele arbeitnehmerfeindliche Regelungen im TVöD. Die Hauptkritik am TVöD war (und ist), dass bei jedem Wechsel des Arbeitsplatzes – und ein solcher ist innerhalb der Weiterbildung regelhaft notwendig – man wieder in der untersten Gehaltsstufe des jeweiligen Tarifs beginnt. Doch auch diese Kritik am TVöD galt natürlich nicht nur für Ärzt*innen, sondern für alle vom TVöD betroffenen und sie traf insofern gerade diejenigen in den unteren Gehaltsgruppen noch viel härter.
Ziele und Ergebnisse des mb
Ziel des mb war es fortan, tarifpolitisch eigene Wege zu gehen und sich als eigenständige Ärztegewerkschaft mit scharfer Abgrenzung zu ver.di zu etablieren und als Verhandlungspartner der öffentlichen Arbeitgeberverbände anerkannt zu werden. Ein Teil wollte sogar den mb zur Konkurrenzgewerkschaft zu ver.di für alle Gesundheitsberufe ausbauen. Hierzu bediente er sich elitärer Elemente und de?nierte die Ärzt*innen als die Leistungselite, der ein größerer Teil am Kuchen zustünde. So aber kam es zu parallel geführten Kämpfen mit bizarr anmutenden Situationen, dass die Betriebsräte Verhandlungen mit den Geschäftsführungen am Rande der Insolvenz dümpelnder Krankenhäuser über zeitlich begrenzte Einkommenseinschnitte im Rahmen des Zukunftssicherungstarifvertrags verhandelten, während die Ärzte vor der Tür für Einkommenszuwächse oberhalb des TVöD-Niveaus streikten. Der mb weckte hohe Erwartungen der Ärzt*innen und versprach ihnen, Einkommenssteigerungen bis zu 30 % durchzusetzen. Um diesem Ziel nahe zu kommen, wurden bereits erreichte Zugeständnisse der Arbeitgeber*innen in Sachen Arbeitsschutz, Weiterbildung, Gehaltseinschnitte bei wirtschaftlichen Notlagen und betrieblicher Altersvorsorge (die in den neuen Bundesländern dann von den anderen Beschäftigten alleine aufgebracht werden mussten) wieder aufgegeben und in Geld umgemünzt.
Dennoch war es dem mb bis Ende 2006 nicht gelungen, in der Breite Abschlüsse über dem BAT-Niveau zu erzielen. Der Tarifabschluss in den Ländern – der auch von ver.di übernommen wurde – bewegte sich nur für die Oberärzte und die stellvertretenden leitenden Ärzte, also die damalige Gehaltsgruppe des mb-Chefs Montgomery, oberhalb des BAT-Niveaus. Der Abschluss mit den kommunalen Arbeitgeber*innen bewegte sich z.T. deutlich unterhalb des BAT und unterschied sich vom Volumen her aber nicht vom kurz zuvor für die Ärzte nachgebesserten TVöD. Die in der Gewerkschaft ver.di organisierten Ärzt*innen überlegten sich damals, ob es nicht besser sei, es bei den unterschiedlichen Tarifverträgen zu belassen, anstatt eine Angleichung an den mb-Tarifvertrag vorzunehmen, denn der Vertrag für die ver.di-Ärzt*innen bot eindeutig bessere Arbeitsbedingungen und bessere Regelungen für die Weiterbildung. Teile der weiter bestehenden Leistungszulage des TVöD hoben den Unterschied bei den Monatsgehältern wieder auf. Eindeutig pro?tiert vom mb-Abschluss hatten die Berufsanfänger*innen in den Unikliniken, die erheblich mehr Geld erhielten; von den anvisierten 30 % waren aber auch sie weit entfernt. Das verbandspolitische Ziel, als eigenständige Gewerkschaft Verträge mit den öffentlichen Arbeitgebern abzuschließen, hat der mb erreicht. Er musste sich hierzu von den übrigen Beschäftigten nicht nur abgrenzen, sondern versuchte auch deren Gewerkschaft, nämlich ver.di, das Recht abzusprechen, Tarifverträge abzuschließen, die auch für Ärzt*innen gelten. Der unsägliche Spruch von Montgomery, dass »Kulissenschieber nicht über die Belange von Schauspielern entscheiden können«, zeigte, dass in dieser »Gewerkschaft« eher Standes- als Klassenbewusstsein herrschte.
Im vdää war die Politik des mb im Jahr 2006 sehr umstritten. Im März 2006 organisierten wir in Frankfurt/Main eine Veranstaltung mit einem mb-Vertreter und zwei Ärzten aus dem vdää unter dem Titel: »Ärztestreiks – Kampf gegen miserable Arbeitsbedingungen oder standespolitischer Alleingang?«. Die Diskussion bewegte sich zwischen der – inzwischen wohl beantworteten – Frage, ob der »mb überhaupt eine Gewerkschaft oder eher eine Standesorganisation« sei, und der Frage, »ob der mb mit seinen Forderungen vielleicht die Speerspitze einer sozialen Bewegung, weil er mit 30 Prozent Lohnerhöhung im Moment die höchste Forderung von allen Protestierenden aufstellt?« Das Fazit von Winfried Beck aus dieser Veranstaltung war eindeutig: »Die Aktionen des mb sind nicht Zeichen einer sozialpolitischen Avantgarde, sie sind Ausdruck eines elitären Berufs-, Familien- und Weltbildes und damit unsolidarisch.«2 Und die Jahreshauptversammlung 2006 war ganz dem Thema gewidmet: »Ärzte in Aufruhr – wer bleibt auf der Strecke?«
Diese Auseinandersetzung dauert an. Seit der Trennung von mb und ver.di herrscht ein Konkurrenzverhältnis zwischen den beiden Gewerkschaften, das je nach Thema und auch Personen vor Ort mal ausgeprägter mal weniger stark ist. Immer wieder haben wir als vdää auch versucht, eine Mittlerrolle zwischen mb und ver.di einzunehmen. 2010 organisierten wir eine Veranstaltung mit Vertretern von beiden Gewerkschaften, um angesichts der Ökonomisierung eine mögliche gemeinsame Perspektive der Beschäftigten in Krankenhäusern zu diskutieren. Auch im Rahmen des Bündnisses Krankenhaus statt Fabrik bemühten wir uns mehrfach, den mb ins Boot zu holen. Es scheiterte bislang immer daran, dass die Konkretisierung der vermeintlich kritischen Parolen z.B. gegen die Ökonomisierung dann doch immer wieder eine Perspektive der Sicherung ständischer Pfründe offenbart hat statt einer ernsthaften Kritik der Ökonomisierung.
Erst in der letzten Zeit hat der mb seine tarifpolitische Strategie tatsächlich geändert und fordert nun nicht mehr nur Geld sondern im letzten Tarifabschluss (TVÄ-VKA) 2019 auch Vereinbarungen zur Begrenzung der Arbeitsbelastung und der besseren Vereinbarkeit von Beruf und Familie, also neue Regelungen zur verlässlichen Dienstplanung, zur Begrenzung der Bereitschaftsdienste und zur Arbeitszeiterfassung vereinbart.
- Der Text basiert zu großen Teilen auf zwei Analysen aus der Ausgabe 3 des vdää-Rundbriefs von 2006, bei denen ich mich großzügig bedient habe: Erik Wagner-Fallasch: »Ein Blick über den Tellerrand ist notwendig. Voraussetzungen und Konsequenzen des Alleingangs des Marburger Bunds« und Peter Hoffmann: »Voller Widersprüche, aber letztlich sinnvoll. Eine Bewertung des Ärztestreiks«. Das Heft ist zum Download auf der Homepage zu finden: https://gbp.vdaeae.de/images/vdaeae-RB_03-2006.pdf
- Winfried Beck: »Ärztestreiks – Kampf gegen miserable Arbeitsbedingungen oder standespolitischer Alleingang?«, Bericht über eine Diskussionsveranstaltung des vdää mit dem Marburger Bund am 1. März 2006 in Frankfurt am Main, in: vdää-Rundbrief 2/2006; https://gbp.vdaeae.de/images/cover/group/RB-2_06.pdf
(Gesundheit braucht Politik. Zeitschrift für eine soziale Medizin, Schwerpunkt: Gewerkschaftliche Organisation im Gesundheitswesen, Nr. 1, März 2021)