Hessische Ärztekammer benennt Rassismusbeauftragten
Von Bernhard Winter
»Flagge zeigen gegen Rassismus« überschrieb das Deutsche Ärzteblatt seinen Beitrag zur Benennung eines Rassismusbeauftragten der hessischen Landesärztekammer (DÄB 9/2020). Damit hat die hessische Kammer Neuland betreten. Wie kam es dazu? Was sind seine Aufgaben?
Bereits der Delegiertenversammlung im November 2019 lag ein Antrag des Präsidiums der Landesärztekammer Hessen (LÄKH) vor, das Aktionsprogramm der Landesregierung »Hessen gegen Hetze« zu unterstützen. Das Programm wurde nach der Ermordung des Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke durch einen Neonazi aufgelegt. Es richtet sich insbesondere auch an zivilgesellschaftliche Organisationen, die aufgefordert wurden, ein tolerantes gesellschaftliches Klima aufrechtzuerhalten. Nach den zahlreichen rassistischen Vorfällen in Hessen in den letzten Jahren bedurfte es erst der Ermordung eines hochrangigen Landespolitikers, damit das Thema rechte Gewalt auf die Agenda der Landesregierung gesetzt. Die vom Präsidium der hessischen Kammer avisierte Unterstützung des Landesprogrammes war rein proklamatorisch und vollkommen unkonkret.
Ein Antrag der Liste demokratischer Ärztinnen und Ärzte (LDÄÄ) stellte demgegenüber klar, dass die krankmachende Wirkung von rechtsextremer Hetze und Rassismus thematisiert werden müsse. Weiter heißt es in dem Antrag: »Konkret unterstützt die Landesärztekammer Hessen das Aktionsprogramm ›Hessen gegen Hetze‹ durch folgende Maßnahmen:
- Die LÄKH trägt Sorge dafür, dass – soweit es in ihrer Macht steht – rechtsextreme Hetze in Gesundheitseinrichtungen unterbleibt. Die LÄKH wirbt bei ihren Mitgliedern für ein aktives Vorgehen gegen Hetze.
- Die LÄKH schafft eine Anlaufstelle, der rassistische Vorfälle in Einrichtungen des Gesundheitswesens benannt werden können. Diese soll sich auch um die Entwicklung von Gegenstrategien bemühen.
- Die LÄKH trägt dafür Sorge, dass Rassismus im Gesundheitswesen in Fort- und Weiterbildung thematisiert wird.
- Die LÄKH fordert die Landesregierung auf, Mittel für die Erforschung von Rassismus im Gesundheitswesen bereit zu stellen. Die LÄKH unterstützt entsprechende Forschungsprojekte aktiv.
Wir halten die Unterstützung des Aktionsprogrammes für dringend geboten. Neben der deklamatorischen Unterstützung sind wir Ärztinnen und Ärzte auch konkret gefordert, Hetze und Rassismus in unserem Alltag entgegenzutreten.
Zahlreiche Schilderungen belegen, dass Rassismus auch in unserem Gesundheitswesen tagtäglich vorkommt. Im Gegensatz zu anderen Ländern (USA, GB, NL) gibt es dazu keine systematische Forschung. Diese Lücke gilt es zu schließen. Zudem sind rassistische Makro- und Mikroaggressionen relevante krankmachende Faktoren, die es aus ärztlicher Sicht auch präventiv anzugehen gilt.«
Dieser Antrag wurde in der Delegiertenversammlung kontrovers diskutiert. Uns Mitgliedern der LDÄÄ wurden dabei auch so fadenscheinige Argumente vorgehalten, dass die Kammer sich dann auch explizit gegen Linksextremismus positionieren müsste. Es folgten eingehende Verweise auf die Rote Armee Fraktion (RAF). Natürlich durfte auch das formale Standardargument, der Antrag sei haushaltsrelevant und könne von daher nicht in dieser Sitzung verabschiedet werden nicht fehlen. Das Klima der Debatte erlaubte es nicht, ernsthafte Einwände, z.B. ob nicht auch explizit die Auseinandersetzung mit Antisemitismus, in den Katalog aufgenommen werden müsse, sachlich zu diskutieren. Rassismus als gesamtgesellschaftliches Problem konnte nicht thematisiert werden. Die Versammlung konnte sich schließlich zu keinem Beschluss durchringen. Der Antrag wurde zur Weiterbehandlung ins Präsidium verwiesen. Vermutlich wäre die Diskussion nach dem rassistischen Mordanschlag in Hanau im Februar dieses Jahres anders verlaufen.
Ganz ohne Wirkung blieb der Antrag dennoch nicht. Auf der folgenden Präsidiumssitzung im Januar 2020 wurde das Amt eines Rassismusbeauftragten der LÄKH geschaffen, das in Personalunion vom Menschenrechtsbeauftragten der Kammer – Ernst Girth – wahrgenommen werden soll (siehe auch GbP 1/2020). Damit ist die LÄKH die erste Ärztekammer, die einen Rassismusbeauftragten benannt hat. Die Kammer wolle so eine Anlaufstelle schaffen, bei der rassistische Vorfälle im Gesundheitswesen erfasst werden können. Auch soll der Rassismusbeauftragte entsprechende Gegenstrategien entwickeln. Der Komplex Rassismus im Gesundheitswesen soll auch Bestandteil in der Fort- und Weiterbildung sein. Zudem will die Ärztekammer Forschungen zu diesem Bereich aktiv unterstützen. Es bleibt zu hoffen, dass das Thema Rassismus im Gesundheitswesen im Verantwortungsbereich der LÄKH zukünftig verstärkt thematisiert wird und es nicht bei Lippenbekenntnissen bleibt.
Bernhard Winter ist Gastroenterologe und Co-Vorsitzender des vdää.
(aus: Gesundheit braucht Politik. Zeitschrift für eine soziale Medizin, Schwerpunkt: Rassimus im Gesundheitswesen, Nr. 3, Oktober 2020)