Was uns interessiert...
Umfrage zu Themen in »Gesundheit braucht Politik«
Anfang Januar haben wir unsere Mitglieder per Internet gefragt, welche Themen GbP in diesem Jahr (also vier Hefte) behandeln soll. Wir hatten zehn Themen vorgeschlagen und die Möglichkeit gegeben, freie Antworten zu geben. Es kamen 131 Antworten und die Reihenfolge sieht wie folgt aus:
1. Lobbyismus im Gesundheitswesen
2. Krankenversicherung in Deutschland
3. Öffentliche Daseinsvorsorge – Public Health – ÖGD
4. Arbeit und Gesundheit
5. WHO und Globale Gesundheit
6. Umwelt und Gesundheit
7. Ärztekammer und KV
8. IT in der Medizin/im Gesundheitswesen
9. Berufsanfang
10. Aus- und Weiterbildung
Platz für eigene Ideen und Interessen: (32 Antworten, die wir leicht gekürzt wiedergeben)
- Als Chirurg halte ich es für besonders dringend erforderlich, dass man einmal diskutiert, dass immer mehr Operationen gemacht werden, deren einzige Indikation der finanzielle Erlös ist.
- Psychotherapie (auch im gesellschaftspolitischen Kontext: Individualisierung von Überforderungsrisiken, Karriere des Traumabegriffs, P.th. für Geflüchtete und Migranten, Reparaturerwartungen von Patienten, Innere Widersprüche zw. wissenschaftl. Anspruch / Heilserwartungen / philosophischer Tradition, frgl. oder tats. Überversorgung von »Bagatellstörungen« vs. Unterversorgung »echter Erkrankungen«?, Definition psychischer Krankheit / welche Lobby in der Psychowelt hat woran Interesse?, etc. pp.).
Warum spielt dieses Thema seit jeher fast keine Rolle im vdää (und kommt entsprechend oben in der Liste auch gar nicht vor), trotz der großen versorgungspolitischen Relevanz psychischer Störungen?
- Overuse
- Prävention und Gesundheitsförderung oder Kommunale Gesundheitsförderung
- Gesundheitsversorgung von Flüchtlingen (6x genannt)
- Situation und Bezahlung des Pflegepersonals (immer wieder!)
- Auf Grund des Superwahljahrs... Politik und Gesundheit, die Ebenen der Einflussnahme auf das Gesundheitssystem
- Generation Y als Phänomen, Veränderungsmöglichkeit innerhalb der Ärzte-Hierarchie?!
- Versorgungsqualität
- Unsere Organisationsmöglichkeiten /-Ansätze für ein anderes Gesundheitssystem (auch im internationalen Kontext)
- Globale Krisen, Migration und Gesundheitsversorgung
- Frauen im Gesundheitswesen
- Zu Berufsanfang: evtl. Gegenüberstellung: Erwartungen zu Berufsanfang und Erfahrungen zu Berufsende, fände ich interessant; Zu Krankenversicherung: Das Thema könnte i. Rahmen der GOÄ-Novellierung noch aktuell werden! Noch ein weiterer Vorschlag (Arbeitstitel): Spezialisierung in der Medizin und Verantwortung für Patienten
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Zu allen Themen wird, auch unter den oppositionellen Ärzten/Vorläufern des vdää, seit Jahrzehnten diskutiert. Die grundlegenden politischen, gesetzlichen und kulturellen Rahmenbedingungen haben sich seit den siebziger Jahren (trotz EU und Selbstaufgabe der DDR sowie Eingemeindung ihrer Reste) nicht geändert. Seit Anfang der siebziger Jahre gibt es (unter diesen Bedingungen) kritische Ärzte-/Medizinblätter sowie lokale und überregionale Zusammenschlüsse. Warum hat sich bis heute Grundlegendes nicht geändert? Ich würde es begrüßen, wenn sich die zukünftigen Autoren der Beiträge zu allen Themen jeweils auch mit der (Vor-)Geschichte ihrer Vorschläge und den Gründen für ihr Scheitern befassen könnten. Wenn das Rad ständig neu erfunden werden muss, sollten die Gründe dafür auch aufgesucht werden und nicht nur über die andere Ausgestaltung von Speichen und Achslagerung nachgedacht werden.
- Falls es viele ältere / berentete Mitglieder geben sollte, aber nicht ein ganzes Heft, eher kombiniert mit Berufsanfang als »Besonderheiten in Lebensphasen«: Erfahrungen mit Ehrenämtern, Engagement im Alter, usw.
- Zum Thema Digitalisierung und Gesundheit empfehle ich den Beschluss der Arbeitsgemeinschaft der Sozialdemokraten im Gesundheitswesen. Außerdem – das Sein bestimmt das Bewusstsein – fände ich den Themenkomplex kommunale Gesundheitspolitik ziemlich spannend :-)
- Maßnahmen gegen die totale Kommerzialisierung, denn als Chirurg habe ich erlebt, wie der finanzielle Erlös zur wichtigsten, oft sogar einzigen Indikation für einen operativen Eingriff wird.
- Ökonomisierung der Medizin
- Streiks und Widerstand gegen Ökonomisierung und neoliberale Reformen in Deutschland und Europa
- Fortsetzung der Aktivitäten gegen das weitere systematische Abschmelzen der sogenannten »Überkapazitäten« im deutschen Gesundheitswesen. Z.B. politische Gestaltung und Allokation von Krankenhäusern und sonstigen Gesundheitsversorgungseinrichtungen statt unterfinanziertes DRG-System und sonstige »Marktmechanismen«.
- Interessant wäre ein Vergleich der Gesundheitssysteme in der USA, dem NHS im UK und eben hier. Es gab so etwas ähnliches schon, finde ich sehr gut: http://www.businessinsider.de/comparison-uk-nhs-v-us-private-heathcare-2015-1
(aus: Gesundheit braucht Politik, Zeitschrift für eine soziale Medizin, Schwerpunkt: Ärztliche Standesorganisationen, 1/2016)