Ein Rechtsruck wird in Kauf genommen…
Kommentar zu den Ergebnissen der Landtagswahlen und dem wachsenden Rassismus
Wir wollten die Landtagswahlen und die zweistelligen Ergebnisse für die AfD nicht unkommentiert lassen und haben Rudi Schwab gebeten, einen Kommentar, den er in einer vdää-internen Emaildebatte geschrieben hatte, hier zu veröffentlichen.
Die Erkenntnis aus dem Wahlergebnis in drei Bundesländern kann nur sein, dass Rassismus in unserem Land sehr weit verbreitet ist, dass mehr gegen den Rassismus und die Faschismusgefahr in unserem Land getan werden muss und dass die AfD nur die Spitze des Eisbergs ist. Mir persönlich macht die AfD auch weniger Angst. Ein Gegner, der mit offenem Visier antritt, ist eben leichter zu bekämpfen. Hier hat – glaube ich – z.B. Campact einen ganz guten Weg eingeschlagen, das am 7. März 2016 als Auftakt einer inhaltlichen Auseinandersetzung eine Aufschlüsselung weiterer Programmpunkte der AfD verbreitet hat (»Steuern, Bildung, Hartz IV: Was die AfD wirklich will« von Günter Metzges und Lara Dovidat), z.B. die völlige Ablehnung von Mindestlohn, durchgängig gleicher Steuersatz für alle in Höhe von 25 Prozent vom Menschen am finanziellen Abgrund bis zum Multimillionär usw., also reinster Neoliberalismus. Wenn die AfD mal irgendwo an der Regierung sein sollten, wird nicht nur den Asylsuchenden, sondern auch dem »kleinen Mann/der kleinen Frau«, die schon länger hier leben oder geboren sind, das Fell über die Ohren gezogen. Die Gefahr, noch mehr zu verlieren, droht also nicht in Konkurrenz zu den Asylsuchenden, sondern von anderer Seite.
Deutlich schwieriger ist es mit den Rassisten in den »etablierten« Parteien bis weit links von der SPD. Was sich jetzt z.B. in den drei Landtagswahlkämpfen abspielte, ist widerlich. Hier wurde teilweise versucht, Stimmen für die AfD abzuwerben, indem deren Position übernommen wurde – als ob es nur um die Buchstaben des Parteinamens und nicht um Inhalte ginge – und teilweise ist gar nicht mehr zu unterscheiden, ob der einzelne jetzt »realer« oder »taktischer« Rassist ist. Ein Rechtsruck wird hier in Kauf genommen (oder insgeheim begrüßt). Dieser Brei macht mir mehr Angst und mich auch etwas hilflos.
Angst macht mir auch die offensichtlich rechte Einstellung in weiten Teilen der Justiz. Dies wurde z.B. am 7. März 2016 in der ARD (»Terror von rechts – Die neue Bedrohung«) ganz gut herausgearbeitet. Wenn bei einem Salafisten Sprengstoff gefunden wird, kommt dieser für Jahre ins Gefängnis, was ich auch für richtig halte. Wenn bei einem Nazi Sprengstoff gefunden wird, wird die Rohrbombe als »Böller« verniedlicht und er erhält eine Bewährungsstrafe, es wurde ja bis dahin keiner verletzt. Muss also hier erst Blut geflossen sein, bevor die Staatsmacht aktiv wird?
Außerdem: Findet man wirklich nicht alle die Brandstifter oder will man sie nicht finden? Und wenn man mal einen findet, erkennt unsere Staatsanwaltschaft oft keinen rassistischen Hintergrund, sondern der Arme hat eben nur aus Angst vor dem Fremden gehandelt. Wer nicht eindeutige Naziparolen von sich gibt, gilt nicht als Rassist!
Man hat hier immer noch nichts vom NSU gelernt. Hier gab es auch keine Bekennerschreiben nach den einzelnen Taten. Ihr Slogan – vor dem Untertauchen vor V-Leuten oft proklamiert – war eben: »Taten statt Worte«. Das haben weite Teile unserer Justiz immer noch nicht kapiert oder wollen es nicht kapieren.
Nach diesem kurzen Einblick in meine Ängste: Auch ich habe nicht das Patentrezept, was zu tun ist. Vielleicht sollte man nicht zu viel über die anderen nachdenken, sondern einfach tun, was man selber für richtig hält. Aber das schaffen wir sicher nicht allein, sondern in einem breiten Bündnis aller, denen Antirassismus und Menschenrechte noch am Herzen liegen.
Rudi Schwab
(aus: Gesundheit braucht Politik, Zeitschrift für eine soziale Medizin, Schwerpunkt: Ärztliche Standesorganisationen, 1/2016)